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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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zweitausend Jahren kein bißchen verändert hat. Ein paar erbärmliche, bienenkorbartige Lehmziegelhäuser inmitten einer steinigen, trostlosen Wildnis. Schafe, Ziegen, Frauen, Kinder, der Fluß — alles starrt vor Schmutz. Die einzige Wärmequelle in der bitteren Kälte ist getrockneter Mist, der einzige Glanz kommt vom nächtlichen Himmel.
    Befehlshaber der dortigen Garnison, einer jämmerlichen Kohorte, war der Präfekt Coponius, der aus seinem Entsetzen keinen Hehl machte, als nach und nach immer mehr von uns eintrudelten. Wir besaßen nichts Eßbares mehr, weil die Parther unseren Proviant erbeutet hatten, und die meisten unserer Männer und Pferde waren verwundet.. Wir konnten nicht in Carrhae bleiben, soviel war klar.
    Crassus beriet mit uns, und es wurde beschlossen, bei Einbruch der Dunkelheit den Rückzug nach Sinnaca anzutreten — noch einmal genausoweit nach Nordosten, in Richtung Amida. Sinnaca war eine wesentlich besser befestigte Stadt und hatte immerhin ein paar Kornspeicher. Aber das ist doch die völlig falsche Richtung! hätte ich am liebsten gebrüllt. Doch Coponius war in Begleitung des Andromachus, eines Mannes aus Carrhae, im Rat erschienen, und Andromachus schwor Stein und Bein, daß die Parther zwischen Carrhae und Edessa, Carrhae und Samosata und überhaupt zwischen Carrhae und jedem Ort am Euphrat auf der Lauer lägen. Er bot an, uns erst nach Sinnaca und von dort nach Amida zu führen. Gramgebeugt wegen des Todes von Publius nahm Crassus das Angebot an. Ein Fluch lastete auf ihm, wirklich! Welche Entscheidung er auch traf, sie erwies sich als falsch. Andromachus war ein Spion der Parther.
    Ich wußte es. Im Lauf des Tages wuchs meine Überzeugung, daß der Marsch nach Sinnaca unter der Führung von Andromachus unser Todesurteil bedeuten würde. Also berief ich selbst einen Rat ein, zu dem ich auch Crassus einlud. Er kam nicht. Dafür kamen die anderen — Censorinus, Megabocchus, Octavius, Vargunteius, Coponius und Egnatius, außerdem ein widerlich schmutziger und zerlumpter Haufen von Wahrsagern und Zauberern. Coponius war schon so lange an diesem unsäglichen Ende der Welt, daß er sie anzog wie ein verwesender Kadaver die Fliegen. Ich erklärte allen Anwesenden, daß ich für meinen Teil bei Einbruch der Dunkelheit nicht nach Nordosten in Richtung Sinnaca, sondern in südwestlicher Richtung nach Syrien reiten würde. Falls die Parther auf der Lauer lägen — was ich mir im übrigen nicht vorstellen könne —, würde ich es eben darauf ankommen lassen. Skenitischen Führern würde ich mich jedenfalls nicht mehr anvertrauen!
    Coponius war dagegen, die anderen auch. Soweit käme es noch, daß Legaten, Tribunen und Präfekten ihren Feldherrn im Stich ließen! Auch der Quästor dürfe das nicht. Der einzige, der mir zustimmte, war der Präfekt Egnatius. Die anderen wollten Marcus Crassus die Treue halten.
    Ich verlor die Beherrschung, eine, wie ich zugeben muß, Schwäche meiner Familie. »Dann rennt doch in euer Verderben!« rief ich. »Und wer am Leben bleiben will, sucht sich am besten schleunigst ein Pferd, denn ich reite nach Syrien und traue niemandem außer mir selbst!«
    Die Wahrsager fingen aufgeregt an zu kreischen. »Nein, Gaius Cassius!« krächzte der älteste von ihnen, der mit Amuletten, Rattenknochen und gräßlichen Achataugen behängt war. »Du kannst gehen, aber nicht schon jetzt! Der Mond steht noch im Skorpion. Warte, bis er in das Zeichen des Schützen eintritt!«
    Ich sah sie an und mußte lachen. »Danke bestens«, sagte ich, »aber wir sind hier in der Wüste, und da ist mir der Skorpion weitaus lieber als der Bogenschütze!«
    Ungefähr fünfhundert von uns machten sich auf den Weg. Die Nacht über ritten wir abwechselnd im Schritt, Trab oder Galopp. Bei Tagesanbruch erreichten wir Europus, das die Einheimischen Karkemisch nennen. Kein einziger Parther lauerte uns auf, und der Euphrat floß so ruhig dahin, daß wir mit Pferden und allem anderen übersetzen konnten. Wir ritten ohne Pause weiter bis Antiochia.
    Später erfuhr ich, daß alle, die bei Crassus geblieben waren, dem Pahlawi Surenas in die Hände gefallen waren. Im Morgengrauen des zweiten Tages vor den Iden — als wir gerade in Europus einritten — marschierten sie dank Andromachus noch immer im Kreis herum, ohne Sinnaca auch nur eine Meile näherzukommen. Dann griffen die Parther erneut an. Die unsrigen versuchten abwechselnd, die Stellung zu halten und sich zurückzuziehen, doch wurden sie von den

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