Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
Vorahnung auf, überwältigend und unheilvoll, untermalt vom Pochen seines Herzens. Sein Atem stockte, reflexartig schloss er die Augen, öffnete sie wieder.
Die Symbole sahen aus wie zuvor. Kein Muster, keine Schatten, nur eine paar alte Schnitzereien.
Das Gefühl der Geborgenheit, das Johann gerade noch verspürt hatte, war verschwunden. Mühsam stand er auf, wobei er sich mit der Hand auf dem Bett abstützen musste. Nachdem sich der erste Schwindel gelegt hatte, ging er zu der Truhe und nahm das Gewand. Es war das seine, gewaschen und geflickt.
Langsam zog er sich an und verließ die Kammer.
Die Türen im dunklen Söller waren alle geschlossen. Leise ging Johann das enge Stiegenhaus hinunter, die abgetretenen Stufen knarrten bei jedem Schritt. Dann erreichte er den großen Gang im Erdgeschoß, die Labe. Links am Fuß der Treppe lag eine Tür, über ihr zeugten die große, geschwärzte Rauchluke in der Wand und der darüber liegende Rauchschlot von jahrzehntelangem Fleisch- und Wurstselchen.
Vorsichtig öffnete Johann die Tür und betrat den Raum. Die offene Feuerstelle und der damit verbundene Ofen links von ihm strahlten noch eine wohlige Wärme aus. Johann wischte mit dem Zeigefinger über den baldachinartigen Funkenhut oberhalb der Feuerstelle. Der dicke, frische Ruß ließ erkennen, dass dies ein dauerhaft bewohntes Haus sein musste. Johann sah sich genauer um: Die Bänke mit den grob gewebten Sitzdecken waren an den wuchtigen Holztisch vor ihm herangeschoben. In einer Steige unter der Sitzbank schliefen zwei Hühner. Das Licht schnitt sich in Bahnen durch die kleinen Fenster und die dunstige Luft, erhellte das geschnitzte Kruzifix im so genannten „Herrgottswinkel“, das über den Raum zu wachen schien. Darunter warteten einige Holzteller und -löffel auf ihren Gebrauch. Der Boden schien vor kurzem gekehrt worden zu sein.
Die Küche war wie der Rest des Hauses: alt, aber in guter Ordnung gehalten. Und menschenleer …
Dennoch spürte Johann, dass sich noch jemand im Raum befand.
Da war etwas bei der Feuerstelle.
Dann sah er plötzlich einen Schatten, der sich ihm näherte. Der Schatten kreuzte eine der Lichtstrahlen, die durch das Fenster hereinfielen, Johann sah braunes, dichtes Fell, eine geöffnete Schnauze, kräftige Zähne – ein Schäferhund.
Der Hund blieb einen halben Meter vor ihm stehen, ließ ein kehliges Knurren hören. Sein Fell glänzte, das Tier sah sauber aus, machte aber durch seine Größe und sein Gehabe einen bedrohlichen Eindruck.
Langsam ging Johann in die Knie, der Hund legte die Ohren an und begann zu bellen.
Johann senkte seinen Kopf, verharrte ruhig in knieender Position. Dann streckte er seine Hand aus.
Der Hund stutzte, schnüffelte an der Hand, die sich ihm entgegenstreckte. Er merkte, dass dieser Mensch für ihn keine Bedrohung darstellte und schleckte kurz an Johanns Hand. Dieser blickte auf und kraulte ihn hinter den Ohren. Der Hund verzog sein Maul, schien fast zu grinsen. Dann drehte er sich um und trottete hinter die Feuerstelle zurück, um seine Wachposition neben dem noch warmen Ofen wieder einzunehmen. Ein echtes Hundeleben, dachte Johann neidisch.
Sein Blick fiel auf den gemauerten Rand der Feuerstelle, darauf lag in einer Holzschale ein Stück Brot. Johann merkte erst jetzt, wie hungrig er war. Er schätzte, dass er in den letzten Tagen oder Wochen großteils von Suppe ernährt worden war, und gierte nach fester Nahrung. Ohne zu zögern nahm er das Brot in die Hand und biss herzhaft davon ab, genoss den Geschmack von Gewürzen und die rauchige, knusprige Rinde.
Ihm war, als hätte er nie etwas Besseres gegessen.
Die Bewohner des Hauses werden es verschmerzen, rechtfertigte er sich, sie würden den Bissen Brot ohnehin nicht so zu würdigen wissen wie er.
Die Bewohner des Hauses …
Wieder stiegen Erinnerungsfetzen in ihm hoch, aber sie wollten sich noch nicht zu einem Ganzen zusammenfügen: ein alter Mann, ein Streit, eine junge Frau, das Gesicht angstverzerrt, der Geruch von Pfeifentabak, eine kühlende Hand auf seiner heißen Stirn –
Ein Winseln riss Johann aus seinen Gedanken. Der Hund lugte hinter der Feuerstelle hervor, sah ihn Mitleid heischend an und leckte sich erwartungsvoll über die Schnauze. Johann konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, er nahm noch einen Bissen, dann hielt er den Rest des Brotes dem Vierbeiner hin. Der schnappte es und schlang es in einem Stück schmatzend hinunter. Johann tätschelte ihm den Kopf, dann ging er
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