Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
angetrieben.
Johann zog an der Tatze, aber der Schlitten machte keine Anstalten, seinen Kurs zu ändern. Er stemmte sich mit den Füßen gegen die nach oben gebogenen Kufen und zog mit dem Gewicht seines Oberkörpers an der Stange. Ein Ruck durchzuckte den Schlitten, dann glitt er sanft in die Kurve und durchzog sie in einem gleichmäßigen Bogen.
„So ist es recht, Johann. Als hättest du es schon immer gemacht!“, rief Albin begeistert.
„Sollten wir nicht ein bisschen langsamer werden?“
„Hast du Angst? Also Johann!“, brüskierte sich Albin gespielt und lenkte in die nächste Rechtskurve.
„Das nicht, aber –“ Johann verstummte.
Und starrte auf den umgestürzten Halbschlitten, der gut fünf Klafter vor ihnen den Weg versperrte!
Ignaz und Anton bemühten sich, den Schlitten auf die Seite zu ziehen. Als sie sahen, dass Johann und Albin wie ein Geschoss auf sie zurasten, zogen sie mit aller Kraft an dem Schlitten, aber dieser bewegte sich zu langsam.
„Albin! Vorsicht!“ Johann deutete hektisch nach vorne.
Albin stieg mit aller Kraft in die Sperrketten. Der Schlitten begann sich zu verziehen und knarrte, das Heck schlingerte hin und her. Die beiden Knechte ließen von dem umgestürzten Schlitten ab und kletterten links einige Fuß die Böschung hinauf in Sicherheit.
„Die Tatze, jetzt!“, brüllte Albin.
Johann zog mit seinem ganzen Gewicht an der Stange, ebenso wie Albin. Die beiden Tatzen gruben sich in den Schnee, bremsten den Schlitten jedoch kaum. Ein Aufprall schien unvermeidbar, Albin riss panisch die Augen auf.
„Lass los!“, brüllte Johann. Er rammte Albin den Ellbogen in die Seite. Dieser ließ die Stange los, jetzt griff nur noch Johanns Tatze. Der Schlitten zog nach links –
Um Haaresbreite schossen sie an dem umgestürzten Schlitten vorbei.
Albin riss den Kopf zurück. „Johann, das war –“
„Zieh an!“, herrschte ihn Johann an, aber zu spät. Sie gerieten zu weit auf die Böschung, der Schlitten kippte nach rechts um, sie wurden von ihren Blochen geschleudert.
Eine Explosion aus Schnee hüllte alles ein.
Nach dem gewaltigen Aufprall war es totenstill. Der Schlitten lag kopfüber an der Böschung, die Ketten hatten sich gelöst, die Bloche lagen kreuz und quer über den Weg verstreut.
Dann bewegte sich etwas unter dem Schnee. Johann richtete sich auf und sah sich um, er konnte nicht glauben, dass er noch am Leben war.
Langsam stand er auf und klopfte sich den Schnee von den Kleidern. Seine rechte Gesichtshälfte war aufgeschunden, aber sonst schien er wie durch ein Wunder unverletzt geblieben zu sein. Er blickte sich nach Albin um, aber von dem fehlte jede Spur.
„Albin! Albin!“
Nichts. Albin schien wie vom Erdboden verschluckt.
Plötzlich hörte Johann eine leise, kraftlose Stimme. „Johann!“
Er lief zum Abhang und blickte hinab. Was er sah, ließ ihn erschaudern: Albin hing über dem gähnenden Abgrund und klammerte sich mit letzter Kraft an die Äste eines kargen Strauchs. Blut rann aus einer Platzwunde auf Albins Stirn, seine Augen starrten Johann panisch an.
„Hilf mir“, stammelte er verzweifelt.
Johann warf sich zu Boden und streckte, so weit er konnte, seine Hand zu Albin. Vergeblich. „Albin, ich komm nicht hin –“ Johann versuchte noch weiter nach unten zu gelangen, merkte aber, dass er nun seinerseits zu rutschen begann. Er brauchte einen Halt, etwas, das er in den Boden rammen konnte, ein spitzen Ast, oder –
Ein Messer!
Johann fasste in seine Hosentasche und zog sein Messer heraus. Er stieß es mit aller Kraft in den gefrorenen Untergrund, aber die kurze Klinge drang nicht tief genug ein.
Nicht mit mir!
Johann zog das Messer heraus und drückte einen kleinen Knopf am Schaft. Die Klinge sauste um Grifflänge heraus und rastete ein. Johann rammte das Messer noch einmal in das Eis – es hielt.
„Johann, ich rutsch ab!“, schrie Albin. Johann sah, dass sich der Strauch, an dem sich Albin festhielt, endgültig aus dem gefrorenen Boden löste.
Er umklammerte den Griff des Messers, ließ sich blitzschnell hinab.
Und packte Albins Handgelenk im letzten Augenblick, bevor dieser in die Tiefe stürzte.
Für einen Augenblick fühlte Johann gar nichts. Dann kam ein grausamer Ruck, Johann war, als würde ihm der Arm aus der Schulter gerissen. Alles schien sich nun unendlich langsam abzuspielen: Albin, der über dem Abgrund baumelte, Johanns Finger, die sich um den Messergriff krampften, seine andere Hand, die Albin am Handgelenk
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