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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: T. Aaron Payton
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Vorstellung, von solchen Geschöpfen angefasst zu werden, vor allem von denen, die gerade erst von Männern angefasst worden waren, ekelte sie. Sie wandte sich in die andere Richtung, obwohl am Ende des Korridors nur ein Samtvorhang war. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was dahinter wartete, glaubte sie nicht, dass es schlimmer sein konnte als eine kleine Armee von mechanischen Frauen. Merkwürdigerweise kam Sir Bertram nicht aus seinem Zimmer, um sie zu verfolgen. Vielleicht fürchtete er, dass noch jemand seine Anwesenheit hier bemerken könnt e? Viele hielten den Mann für den inoffiziellen Gemahl von Königin Victoria, manch ein Witzbold nannte die Königin sogar „Mrs. Oswald“. Wenn er nun in einem äußerst verrufenen Etablissement in flagranti dabei ertappt wurde, wie er die Innereien einer mechanischen Kurtisane bearbeitete – das würde einen gewaltigen Skandal geben!
    Aber jetzt war keine Zeit, über ihre Reportage nachzudenken. Ellie rannte auf den Vorhang zu, riss ihn zur Seite und fand eine Treppe. Während sie hinaufeilte, hörte sie unten im Flur menschliche Stimmen rufen. Waren es nur empörte Kunden oder die unvermeidlichen Schlägertypen, die solche Häuser überwachten? Männer wie Crippen? Die Treppe führte um die Ecke hinauf in den zweiten Stock, wo ein weiterer Samtvorhang hing. Ellie spähte an der fadenscheinigen Barriere vorbei und sah nur einen weiteren Korridor, ähnlich dem, aus dem sie gekommen war. Alle Türen außer einer auf der linken Seite am Ende des Korridors waren geschlossen. Sie rannte den Flur hinunter und schaute in das Zimmer. Es war ähnlich eingerichtet wie die anderen Boudoirs, doch zurzeit hielten sich weder Mensch noch Maschine hier auf. Ellie zog die Tür hinter sich zu und lauschte konzentriert.
    Schritte polterten die Treppe hoch, und eine Männerstimme sagte: „Er muss sich hier irgendwo versteckt haben. Durchsucht die Zimmer!“
    Sie stürzte ans Fenster in der Hoffnung, ein Sims zu finden, auf dem sie stehen konnte. Doch als sie die Gardinen beiseite zog, sah sie, dass es kein Fenster gab. Man hatte es zugenagelt, und die Nägel waren so tief hineingeschlagen worden, dass sie sich nicht herausziehen ließen. Sie hörte, wie weiter vorn im Flur die Türen geöffnet wurden. Bald würden sie bei ihr ankommen, und dann …
    Ellie schloss einen Moment die Augen. Sie suchten einen Mann. Nun gut. Sie musste lediglich dafür sorgen, dass sie keinen Mann fanden.
    Sie riss ihren falschen Schnurbart ab und stopfte ihn in ihre Manteltasche. Dann zog sie Mantel, Weste, Hemd, Schuhe und Strümpfe aus, öffnete ihre Hosen und stieg aus ihrer Unterwäsche. Sie wickelte sich aus den Bandagen, die ihre Brüste eingeschnürt hatten. Sie waren tatsächlich schlimmer als ein Korsett, und sie war zumindest froh, sie los zu sein. Dann schob sie schnell den Kleiderhaufen tief unters Bett. Jetzt konnte sie sich einfach ins Bett legen und so tun, als sei sie eine ausgeschaltete Maschine, die Decken so drapiert, dass sie anständig bedeckt war.
    Ihr Haar. Natürlich hatten alle Modelle langes Haar. Sie ging zur Seemannskiste am Fußende des Bettes, obwohl sie fürchtete, dass ihre Hoffnung vergebens sein würde. Schließlich hatte die Kurtisane, die sie untersucht hatte, keine Perücke getragen, man hatte die Haare an die Kopfhaut genäht.
    Trotzdem fand sie tief unten in der Kiste, unter den Rüschen und Lederstücken, eine blonde Perücke, ein Paar viel zu großer Pumps und ein Korsett, das groß genug für einen Gorilla gewesen wäre. Wie merkwürdig. Diese Kleidungsstücke passten offensichtlich keiner der mechanischen Frauen, aber wem dann?
    In der Nähe ging krachend eine Tür auf. Ellie zog sich hastig die Perücke auf und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wer sie wohl vor ihr getragen hatte. Prüfend sah sie sich in einem der Spiegel an und rückte die Perücke zurecht. Sie versuchte, ihren nackten Körper zu ignorieren, den sie ganz gewiss noch nie so eingehend im Spiegel betrachtet hatte. Ellie hatte keine so üppige Figur wie das Modell Delilah. Aber auf einigen der Zeichnungen waren auch dünnere Modelle abgebildet gewesen, deshalb durfte sie hoffen, als mechanische Frau durchzugehen.
    Nachdem sie sich noch einen wallenden Seidenschal geschnappt und ihn um den Hals und über ihre Brüste gelegt hatte, stieg sie eilig ins Bett. Sie versuchte sich zu erinnern, wie die Kurtisane in ihrem Zimmer dagelegen hatte. Zum Glück war ihre Pose nicht allzu anzüglich gewesen,
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