Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
und sie verzehrten zwei mächtige Portionen Grillhähnchen mit Salat und goldgelben Pommes, tranken eiskaltes Bier und später den Raki, den ihnen der Wirt spendierte.
Als sie gegen halb zwölf aufbrachen, zufrieden, satt und mehr als nur ein bisschen angetrunken, tobte noch immer das Leben, spielte noch immer Musik, waren noch immer ein paar Kinder unterwegs, als sei morgen nicht Montag, mit seinen Pflichten und Sorgen, sondern ein weiterer Sonntag, als zählte nur das Hier und Jetzt, der Augenblick, als sei einfach jeder Tag ein Sonntag.
Endlich!
Ha, da ist er!
Wurde auch Zeit. Hab wahrlich noch anders zu tun, als mich den lieben langen Tag hier rumzudrücken. Muss immerhin Geld verdienen, anders als der da. Provinzei! Dorftrottel!
Zieht ganz schön hier. Ist ungemütlich. Kriegt man Verspannung im Nacken. Nächstes Mal einen Schal mitnehmen. Kann mir Kranksein nicht leisten.
Ob mich jemand erkannt hat? Verdacht schöpft?
Aber nein! Die Tarnung ist gut. Die Rolle sitzt. Nur keine Panik. Keine Selbstzweifel. Zweifel sind der Anfang vom Ende. Sich nichts einreden lassen. Von anderen. Immer dagegenhalten. Mit hoch erhobenem Kopf. Sich wehren. Sich rächen.
Dieses Flaubert-Zitat: Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben, aber an seine Mauern schwappt ein Meer von Scheiße. Wie komm ich da jetzt drauf? Egal. Merken. Später notieren. Im Internet auf Vollständigkeit checken! Verwursten! Kommt gut intellektuell.
Okay, jetzt hat er den Zimmerschlüssel. Neue Hose hat er auch, oder was? Lächerlich. Was labert der da bloß? Egal: Das war’s für mich hier! Fürs Erste.
Bin raus jetzt.
Ihr seid am Zug.
Verdammte Penner!
Zurück im Sterelle
Weil Kai ihn gebeten hatte, den Vormittag alleine verbringen zu dürfen, da er einen wichtigen Termin habe, kam Bruno am Montag endlich dazu, das zu tun, was er schon seit zwei Tagen hatte erledigen wollen: Seine Sachen aus dem Sterelle zu holen. Das Hemd, das er nun schon den fünften Tag trug, verströmte bereits einen Hauch von Zoo.
Trotz des kleinen Gelages am Vortag war er klar im Kopf und guter Laune. Auch weil er registrierte, dass die dünne Blutspur, die er vor ein paar Tagen hinter sich hergezogen hatte, inzwischen verschwunden war, dank dem Frühlingsschauer, der letzte Nacht heruntergekommen war und die Stadtluft frisch und aromatisch machte. Dennoch ging Bruno, soweit es sich einrichten ließ, auf der jeweils anderen Straßenseite.
Auch vor dem Eingang des Sterelle mit seinem kleinen Wasserspiel und den Aschenbechern für die rauchenden Gäste war kein Blut mehr zu sehen. Entweder das Personal hatte sie beseitigt oder, was wahrscheinlicher war, das Blut aus der frischen Wunde hatte sich zu jenem Zeitpunkt noch nicht bis zum Saum seines Hosenbeins vorgearbeitet.
»Oh, da sind Sie ja wieder. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.« Es stand dieselbe Frau hinter der Rezeption, die ihm am Freitag bei seinem Sturz aufgeholfen hatte, jene mit dem Schlafstriemen über der Stirn. Heute erkannte Bruno, dass sie ein kleines Schild mit ihrem Namen über der rechten Brust trug.
»Vielen Dank, Frollein Kunze.«
»Frau Kunze«, sagte Frollein Kunze und lächelte souverän über Brunos sprachlichen Fauxpas hinweg. Gleich darauf reichte sie ihm den Zimmerschlüssel über den Tresen, ohne dass Bruno ihr die Nummer genannt hatte. Offenbar hatte sich das Hotel wirklich Sorgen um ihn gemacht.
»Äh«, sagte Bruno, »ick hab für ein paar Tage bei einem Freund jewohnt. Kai van Harm, vielleicht kenn Se den ja. Der hatte hier letzten Donnerstach seine Buchpremiere jehabt.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Frau Kunze, »der Empfang vom Buttermann-Verlag.«
»Sie müssen wissen, wir bereiten gerade sein zweitet Buch vor. Ick bin sowat wie sein Assistent. Und deshalb hab ick mich hier ein bisken rar jemacht. Reschersche und so.«
»Freut mich zu hören. Ich bin ja nur froh, dass es Ihnen gut geht nach Ihrem kleinen Sturz neulich«, sagte Frau Kunze, »geht es doch, oder?«
»Uff jeden!«, sagte Bruno, kratzte sich am rasierten Kinn und fragte dann sehr behutsam: »Aber Sie haben sicherlich nicht die Polizei … Ich meine, weil ick jetzt ein paar Tage abwesend war?«
»Nein, haben wir nicht. Hätten wir denn sollen?«
»Uff keinen!«, sagte Bruno. Er klang gelöst. »Allet prima, allet fein! Eine Frage hätte ick aber dennoch.«
»Ja?«
»Als ick unpässlich war, neulich, is Ihnen da wat aufjefallen?«
»Aufgefallen?«, sagte Frau Kunze und wurde
Weitere Kostenlose Bücher