Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
leid, das wollte ich nicht.“ Tobias Gesicht sah aus, wie eine große Entschuldigung. „Ehrlich.“
„Schon gut. Wahrscheinlich sind wir alle momentan ein wenig schreckhaft.“ Natascha sah ihn einen Moment an. „Hast du ne Kippe?“
„Du rauchst in letzter Zeit ziemlich oft.“
Natascha blickte auf den Boden.
„Vor zwei Jahren hast du dich beschwert, wenn ich nach Rauch gerochen habe.“ Er hielt ihr die offene Packung hin. Natascha nahm sich eine Zigarette. Tobias zückte sein Feuerzeug und zündete sie an.
„Mag sein“, murmelte Weller und blickte geistesabwesend auf den Asphalt, während sie den ersten Zug nahm.
„Na ja, ist ja auch egal. Ist lange her.“
„Eben.“
„Heute stehst du ja mehr auf ältere Männer.“
Tobias Worte trafen Natascha wie ein Hammerschlag.
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Komm, tu nicht so. Mir brauchst du nichts vorzuspielen. Ich weiß, dass du was mit dem Fischer laufen hast.“
Natascha Weller spürte, wie eine Hitzewelle in ihr aufstieg und den Kopf rot werden ließ. Sie hatte sich oft ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie jemand auf ihre Beziehung mit Fischer ansprechen würde. Tausendmal hatte sie sich Verhaltensmuster zurechtgelegt, um eine solche Situation zu retten, doch jetzt fiel ihr keines mehr ein. Sie beschloss, einfach gar nichts dazu zu sagen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Tobias steckte die Zigarettenpackung wieder ein.
„Na, geht mich auch nichts an. Aber du solltest auf der Hut sein. Fischer ist gefährlich. Der tut immer freundlich. In Wahrheit ist er ein knallharter Typ. Würde mich nicht wundern, wenn er etwas mit der ganzen Sache zu tun hat.“
„Wie meinst du das?“, fragte Natascha und biss sich im selben Moment auf die Zunge. Was sie jetzt am wenigsten brauchen konnte, war eine weitere Diskussion mit Tobias.
„Lea war da an einer Sache dran und wollte Fischer zur Rede stellen. Schon merkwürdig, dass sie am nächsten Tag tot ist, oder?“
„An was für einer Sache?“ Natascha zog noch einmal an der Zigarette.
„Hat sie nicht genau gesagt. Aber sie wollte einen Artikel darüber schreiben. Naja, ich muss los. Wir können uns ein anderes Mal weiter unterhalten. Meine Nummer hast du ja.“ Tobias stand auf und schlenderte zu den Fahrrädern. Natascha sah ihm hinterher. Merkwürdige Geschichte. Was, wenn Lea etwas über sie und Fischer herausgefunden hatte? War das der Grund, warum sie in letzter Zeit so schnippisch gewesen war? Wollte sie wirklich darüber einen Bericht schreiben? In jedem Fall musste sie mit Andreas darüber sprechen. Das war eine Wendung, die vieles veränderte.
Andreas Fischer schritt dem Ausgang der Schule entgegen. Was für ein Tag! Überall führten die Kommissare Gespräche mit Lehrern und Schülern. Und interessierten sich für jeden Furz. Er war froh, gestern mit Natascha gesprochen zu haben. Alles in allem war das Gespräch gut verlaufen. Natürlich war Natascha über sein Anliegen nicht erfreut gewesen. Es hätte ihn auch sehr verwundert, wenn es anders gewesen wäre. Schließlich war es viel, was er verlangte. Auch er hätte liebend gern alles so weiterlaufen lassen wie bisher. Die Zeit ohne die Treffen mit ihr würde nicht einfach werden. Er vermisste die Nähe zu Natascha schon jetzt. Aber in der jetzigen Situation gab es zu dieser Entscheidung keine Alternative. Schon unter normalen Umständen war die Beziehung zu Natascha ein Ding der Unmöglichkeit. Bislang war er dieses Risiko eingegangen, weil er glaubte, alles so gut organisiert zu haben, dass nichts an die Öffentlichkeit dringen konnte. Ihr Treffpunkt in der Gartenkolonie war absolut sicher. Die Laube gehörte einem alten Studienfreund, der gerade ein Sabbatjahr in Kanada eingelegt hatte. Er hatte ihm versprochen, auf die Laube und den Garten aufzupassen. Niemand in der Anlage kannte ihn wirklich und Natascha hatte er den anderen Kleingartenbesitzern als seine Tochter ausgegeben. Natascha und er trafen sich ausschließlich dort. Im Unterricht und der Theater-AG spielten sie allen ein großes Schauspiel vor. Er war sich absolut sicher, dass keiner der anderen Schüler etwas bemerkt hatte – bis zu jenem denkwürdigen Abend. Aber das war ein anderes Thema. Gestern Abend war er noch unsicher, ob Natascha seine Entscheidung akzeptieren würde, doch heute in der Schule hatte sie sich ihm gegenüber völlig normal verhalten. Alles schien wie immer zu sein. Er kam in Sichtweite seines Autos, das auf dem Lehrerparkplatz stand und
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