Mord an der Leine
Zunge, zu antworten. Noch !
Sie verschluckte die Entgegnung aber. Bei all ihrer Erfahrung bei
Mordermittlungen und an Tatorten fiel es ihr schwer, sich zurückzuhalten.
Stattdessen fragte sie den Beamten von der Spurensicherung: »Können wir uns
schon umsehen?«
Der Mann nickte und machte mit der Hand eine
einladende Handbewegung.
»Haben Sie ein paar Handschuhe für mich?«, fragte
Frauke.
»Kommen Sie mit. Unser Koffer steht im Treppenhaus.«
Sie folgte dem Mann, zog sich Einmalhandschuhe über
und kehrte in die Wohnung zurück. In der Tür zum Büro des Toten blieb sie wie
angewurzelt stehen. »Das glaube ich nicht«, sagte sie in scharfem Ton, als sie
Richter und Putensenf sah, die sich beide interessiert über das Opfer beugten.
»Sie können doch nicht alle Spuren zertrampeln!«
Richter bog sein Kreuz durch. Er machte einen Schritt
auf Frauke zu. »Wenn Sie noch einmal in diesem Ton mit mir oder den Kollegen
sprechen, wird Ihr erster Tag in Hannover auch der letzte sein«, drohte er.
»Und nun machen Sie Ihre Arbeit. Aber bitte professionell.«
Sie sah ihn an und stemmte dabei ihre Fäuste in die
Hüften. »Und? Was schlägt der Herr Hauptkommissar vor?«
»Ja … ähm.« Sie hatte Richter aus dem Konzept
gebracht. »Sie könnten damit beginnen, Zeugen zu suchen.«
Kopfschüttelnd verließ Frauke den Raum. In Flensburg
war sie es gewohnt gewesen, Anweisungen zu erteilen. Dort hatte ihr keiner
widersprochen. Es würde sicher ein schwieriger Prozess der Umgewöhnung werden,
sich ein-, vor allem aber unterordnen zu müssen. Nur ungern hatte sie ihre
Position als eine von vier in Schleswig-Holstein ansässigen K1-Leitern
aufgegeben. Das für schwere Straftaten zuständige K1 der
Bezirkskriminalinspektion, im Volksmund auch Mordkommission genannt, war für
alle gegen das Leben von Menschen gerichteten Gewalttaten im äußersten Norden
Deutschlands zuständig. Und ob sie sich in Hannover jemals wohlfühlen würde,
wagte sie im Augenblick zu bezweifeln. Aber es hatte sich ihr keine Alternative
geboten.
Im Treppenhaus hatten sich die Bewohner des Hauses
eingefunden. Sie befragte die Leute, aber niemand wollte etwas gesehen oder
gehört haben.
»Haben Sie Besucher des Büros gesehen, die regelmäßig
dort erschienen sind?«
»Nur die Angestellte. Ich glaube zumindest, dass es
seine Sekretärin war«, erklärte eine grauhaarige ältere Frau. »Ich wohne
nämlich gleich nebenan.«
»Haben Sie früher einmal Lärm oder Streit gehört? Ist
Ihnen irgendetwas aufgefallen?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein. Nie. Immer nur
ihn …«
»Sie meinen Herrn Manfredi?«
»Heißt er so, der Italiener? Ich habe keine Ahnung.
Ich weiß nicht einmal, was die da gemacht haben.« Sie drehte abwägend ihre
faltige Hand im Gelenk. »Wenn das man nicht so ein Liebesnest war. Man hört ja
immer solche komischen Sachen von den Italienern. Die sind ja wohl ganz
heißblütig. Und die junge Frau – also. Die war immer ganz chic angezogen.«
Es ließ sich nicht vermeiden, dass andere Mitbewohner
dem Gespräch lauschten. Jetzt erhob sich beifälliges Stimmengemurmel.
»Na schön.« Frauke ließ sich die Namen der Leute geben
und verließ das Treppenhaus. Es regnete immer noch in Strömen. Das hinderte
aber nicht das Dutzend Schaulustige daran, vor der Tür auszuharren.
»Hat jemand von Ihnen etwas bemerkt?«, fragte sie in
die Runde, erntete aber nur verständnisloses Glotzen. Ein wenig abseits
gewahrte Frauke drei Leute, die vor der Tür eines Ladens standen. Sie steuerte
die kleine Gruppe an.
»Ich bin von der Polizei. Ist Ihnen heute Morgen etwas
aufgefallen?«
»Nee, nichts. Es war wie immer. Nur der blöde Regen«,
erklärte eine ältere Frau mit einer Brötchentüte in der Hand. »Was ist denn da
passiert? Stimmt es, dass da oben ein Toter liegt?«
Frauke ging nicht auf die Frage ein. »Und Sie?«,
wandte sie sich an einen Mann, der einen Flachmann in der Hand hielt.
»Doch. Ich habe etwas gesehen.« Vorsichtig nippte der
Mann an seiner Flasche. »Sonst trinke ich immer nur eine – zum Frühstück. Damit
kommt mein Kreislauf in Schwung«, erklärte er ungefragt. »Heute ist das was
anderes. Also – wenn da oben was passiert ist, ich meine, bei dem Italiener,
dann haben wir was mitgekriegt.«
»Nun reden Sie schon«, forderte Frauke den Mann auf.
Der schüttelte den Kopf. »War das nun beim Italiener?«
Frauke nickte.
»Gut. Dann haben wir drei hier, Gerlinde«, er zeigte
auf die ältere Frau mit der
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