Mord an der Leine
verstehen? Nachdem die Ermittlungen abgeschlossen waren und die
Staatsanwaltschaft unsere Erkenntnisse nicht verwerten konnte …«
»Oder wollte«, warf Putensenf ein.
»Quatsch. Also – Manfredi war nichts nachzuweisen. Ich
wusste nicht, dass er inzwischen sein Aktionsgebiet in die Landeshauptstadt
verlagert hat. Das habe ich vorhin erfahren, als der Name genannt wurde. Und
dann habe ich ihn erkannt, als ich ihn da drüben«, dabei zeigte er mit dem
Kugelschreiber in Richtung des Nebenraums, »liegen sah.«
»Das ist eine interessante Konstellation«, sagte
Frauke und musterte den Hauptkommissar. »Ist Ihnen das gar nicht aufgefallen?«
»Was meinen Sie?«
»Marcello Manfredi war in einen Fleischskandal
verwickelt. Und jetzt ist er vermutlich mit einem Fleischklopfer erschlagen
worden.«
»Mensch, Bernd, die Lady hat recht«, entfuhr es
Putensenf.
»Nennen Sie mich gefälligst nicht Lady«, fauchte
Frauke ihn an und warf ihm einen bösen Blick zu.
Putensenf zuckte die Schulter, verzog das Gesicht und
öffnete die Hände zu einer Geste, die seine Unschuld ausdrücken sollte.
»Wir sollten auf jeden Fall noch prüfen, womit die
Haustür offen gehalten wurde. Und der Gegenstand muss zur Kriminaltechnik.«
»Sie meinen die Tür zur Straße?«, fragte Putensenf.
»Wenn Sie möchten, können Sie ja alle Türen aushängen
und zur KTU schicken«, entgegnete
Frauke schnippisch.
Putensenf sah Richter an. »Bernd, immerhin bist du
hier der Chef. Noch. Was ist nun?«
»Sieh dir die Haustür an, Jakob. Und falls du etwas
findest, soll sich die Spurensicherung der Sache annehmen.«
»Jetzt begreife ich langsam, weshalb die da oben in
Flensburg die Tante nicht behalten wollten«, fluchte Putensenf und verließ den
Raum.
»Wissen wir etwas über die Sekretärin, abgesehen
davon, dass sie offensichtlich panisch das Haus verlassen hat?«, fragte Frauke.
Richter wies auf eine Handtasche, die auf einem
Sideboard neben dem Schreibtisch stand. Dann zeigte er auf eine dunkelblaue
Popelinejacke, die über einen Bügel gezogen an der Wand hing. »Sie heißt
vermutlich Tuchtenhagen. So weit konnte ich es den Akten entnehmen. Die
Handtasche haben wir noch nicht untersucht. Dazu fand sich noch keine Zeit.«
Frauke streifte sich erneut Einmalhandschuhe über, die
sie sich von einem Mitarbeiter der Spurensicherung besorgte. »Haben Sie die
Tasche geöffnet?«, fragte sie und sah auf die sportliche Umhängetasche.
»Die war offen.«
Vorsichtig untersuchte Frauke die Handtasche. Es
fanden sich die Accessoires, die man bei Frauen erwarten durfte. Ein wenig
Kosmetik. Lippenstift. Puderdose. Augenbrauenstift. Lidschatten. Ein
Stoffbehälter mit Papiertaschentüchern. Als sie die angebrochene Packung mit
handelsüblichen Kopfschmerztabletten herausnahm, musste Frauke lächeln. Das
Handy war eingeschaltet. Das Portemonnaie enthielt eine Handvoll Kleingeld und
einhundertdreißig Euro in Scheinen. Eine Kreditkarte, die EC -Karte der Sparkasse Hannover, eine
Paybackkarte, die Mitgliedskarte der Barmer sowie mehrere Kundenkarten steckten
in den Kartenfächern der Geldbörse. Aus einem Plastikfenster der aufgeklappten
Geldbörse lächelte auf einem Passfoto ein Mann mit deutlich sichtbaren
Geheimratsecken. Neben einem Etui mit Nagelschere und Feile fand Frauke noch eine
kleine lederne Hülle, in der der Personalausweis, Führerschein und die
Zulassung für einen Mazda steckten.
»Manuela Tuchtenhagen«, las sie vor. »Zweiunddreißig.
Wohnhaft am Froschkönigweg.« Sie sah Richter an.
»Kenne ich«, sagte der Hautkommissar. »Die Straße.
Nicht die Frau. Das Märchenviertel mit Straßennamen wie Froschkönig,
Drosselbart uns so weiter liegt nördlich des Mittellandkanals im Stadtteil
Sahlkamp. Es ist eine ruhige und gutbürgerliche Gegend.«
»Da fehlt etwas«, stellte Frauke fest und wartete
nicht auf Richters Antwort. »In der Handtasche sind weder Wohnungs- noch
Autoschlüssel.«
»Hm«, sagte Richter.
»Das heißt, Manuela Tuchtenhagen hat überstürzt das
Büro verlassen und dabei lediglich ihr Schlüsselbund mitgenommen. Sie muss sehr
erregt gewesen sein, dass sie weder die Jacke übergezogen noch ihre Handtasche
mitgenommen hat. Es muss schon viel geschehen, damit eine Frau ihre Handtasche
liegen lässt.«
»Immerhin hat sie die Schlüssel mitgenommen.«
»Die benötigt sie für das Fortkommen«, sagte Frauke
ein wenig geistesabwesend und zog die Luft ein. Dann sah sie Richter an.
»Rauchen Sie?«
»Schon, aber nicht am
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