Mord auf dem Golfplatz
stellen, monsieur le juge.«
»Aber natürlich, Monsieur Giraud, wie Sie wünschen«, erwiderte der Untersuchungsrichter kühl.
Giraud zog seinen Stuhl ein wenig dichter an den Tisch heran.
»Haben Sie sich mit Ihrem Vater gut verstanden, Monsieur Renauld?«
»Aber sicher«, antwortete der Junge herablassend.
»Das können Sie mir versichern?«
»Ja.«
»Keine kleinen Auseinandersetzungen, wie?«
Jack zuckte mit den Schultern. »Gelegentliche Meinungsverschiedenheiten gibt es doch überall.«
»Schon, schon. Aber wenn nun irgendwer behauptete, Sie hätten sich am Abend Ihrer Abreise nach Paris heftig mit Ihrem Vater gestritten, dann wäre das eine Lüge, oder?«
Ich konnte Girauds Scharfsinn nur bewundern. Seine Behauptung: »Ich weiß alles« war keine leere Prahlerei gewesen. Jack Renauld war von dieser Frage sichtlich aus der Fassung gebracht.
»Wir – wir hatten eine Auseinandersetzung«, gab er zu.
»Ah, eine Auseinandersetzung! Und haben Sie im Laufe dieser Auseinandersetzung folgende Bemerkung gemacht: ›Wenn du tot bist, kann ich machen, was ich will.‹?«
»Das kann schon sein«, murmelte der Junge. »Ich weiß es nicht.«
»Und hat Ihr Vater daraufhin gesagt: ›Aber ich bin noch nicht tot‹, und haben Sie geantwortet: ›Ja, leider!‹?«
Der Junge gab keine Antwort. Seine Hände machten sich nervös an den Gegenständen zu schaffen, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
»Ich muss um eine Antwort bitten, Monsieur Renauld«, sagte Giraud scharf.
Wütend fegte der Junge ein schweres Papiermesser zu Boden.
»Was spielt das schon für eine Rolle? Sie können es gern wissen. Ja, ich habe mich mit meinem Vater gestritten. Vermutlich habe ich das alles tatsächlich gesagt – ich war so wütend, ich kann mich an meine Worte einfach nicht mehr erinnern! Ich war außer mir vor Zorn – ich glaube, ich hätte ihn in diesem Moment umbringen können. Von mir aus denken Sie, was Sie wollen!« Rot vor Wut und Trotz ließ er sich auf seinen Stuhl zurücksinken.
Giraud lächelte, schob seinen Stuhl ein wenig zurück und sagte: »Das wäre alles. Sicher möchten Sie jetzt das Verhör fortsetzen, Monsieur Hautet.«
»Ah, ja, genau«, sagte M. Hautet. »Und worum ging es bei diesem Streit?«
»Ich weigere mich, das zu sagen.«
M. Hautet richtete sich kerzengerade auf.
»Monsieur Renauld, Sie dürfen mit dem Gesetz keine Scherze treiben!«, donnerte er. »Worum ging es bei dem Streit?«
Der junge Renauld blieb stumm, sein jungenhaftes Gesicht war düster und gereizt. Doch nun erklang eine andere Stimme, unangefochten und ruhig, die Stimme Hercule Poirots.
»Ich kann es Ihnen sagen, wenn Sie wollen, Monsieur.«
»Sie wissen Bescheid?«
»Sicher weiß ich Bescheid. Es ging bei dem Streit um Mademoiselle Marthe Daubreuil.«
Verdutzt fuhr Renauld herum. Der Untersuchungsrichter beugte sich vor.
»Stimmt das, Monsieur?«
Jack Renauld senkte den Kopf.
»Ja«, gab er zu. »Ich liebe Mademoiselle Daubreuil und möchte sie heiraten. Als ich das meinem Vater mitteilte, geriet er in heftigen Zorn. Ich konnte mir natürlich nicht anhören, wie die Frau, die ich liebe, beleidigt wurde, und deshalb habe auch ich die Fassung verloren.«
M. Hautet schaute zu Madame Renauld hinüber.
»Sie waren im Bilde über diese – Verbindung, Madame?«
»Ich hatte das befürchtet«, erwiderte sie einfach.
»Mutter!«, rief der Junge. »Auch du! Marthe ist so gut, wie sie schön ist. Was hast du nur gegen sie?«
»Ich habe durchaus nichts gegen Mademoiselle Daubreuil. Aber es wäre mir lieber, wenn du eine Engländerin heiratetest – oder eine Französin, deren Mutter eine weniger zweifelhafte Vergangenheit hat.«
Ihr Ton verriet ihren Groll gegen die ältere Frau, und ich konnte durchaus verstehen, was für ein harter Schlag es für sie gewesen sein musste, dass ihr Sohn sich in die Tochter ihrer Rivalin verliebt hatte.
An den Untersuchungsrichter gewandt, sagte Madame Renauld: »Ich hätte vielleicht mit meinem Mann darüber sprechen sollen, aber ich hatte die Hoffnung, es handle sich nur um einen Jugendflirt, mit dem es umso schneller vorbei sein würde, wenn niemand groß darauf achtete. Jetzt mache ich mir Vorwürfe, weil ich geschwiegen habe, aber ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass mein Mann so besorgt wirkte, so unglücklich und ganz anders als sonst; ich wollte seinen Kummer nicht noch vergrößern.«
M. Hautet nickte.
»Als Sie Ihrem Vater Ihre Absichten in Bezug auf Mademoiselle Daubreuil mitteilten«,
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