Mord auf dem Golfplatz
unbequem und auch ein wenig lächerlich. Setzen wir uns und kommen wir zur Ruhe.«
»Wollen Sie sie nicht verfolgen?«
»Mon Dieu, nein. Bin ich Giraud? Lassen Sie mich los, mein Freund.«
Ich behielt ihn argwöhnisch im Auge, denn ich musste Poirot immerhin lassen, dass ich ihm an Scharfsinn nicht gewachsen war, doch ich lockerte meinen Griff, und er ließ sich in einen Sessel sinken und betastete behutsam seine Arme.
»Wenn Sie gereizt werden, sind Sie wirklich stark wie ein Stier, Hastings. Eh bien, meinen Sie, Sie hätten sich Ihrem alten Freund gegenüber anständig verhalten? Ich zeige ihnen ein Bild der jungen Dame, Sie erkennen es, sagen mir aber kein Wort.«
»Das war doch auch nicht nötig, wenn Sie ohnehin schon wussten, dass ich es erkannt hatte«, sagte ich verbittert. Poirot hatte es also die ganze Zeit gewusst! Ich hatte ihn nicht eine Sekunde lang täuschen können.
»Ta-ta! Sie wussten nicht, dass ich es wusste. Und heute verhelfen Sie ihr zur Flucht, nachdem wir sie mit solcher Mühe ausfindig gemacht haben. Eh bien! Die Frage ist jetzt, werden Sie für mich oder gegen mich arbeiten, Hastings?«
Ich konnte nicht gleich antworten. Ein Bruch mit meinem alten Freund würde sehr schmerzlich für mich sein. Doch in diesem Fall musste ich mich gegen ihn stellen. Ob er mir das jemals verzeihen würde? Bisher war er erstaunlich ruhig geblieben, aber ich kannte ja seine phantastische Selbstbeherrschung.
»Poirot«, sagte ich, »es tut mir Leid. Ich gebe zu, ich habe mich in diesem Fall nicht richtig verhalten. Aber manchmal hat man keine Wahl. Und in Zukunft muss ich meine eigenen Entscheidungen treffen.«
Poirot nickte mehrmals.
»Ich verstehe«, sagte er. Das spöttische Funkeln in seinen Augen war erloschen, und er klang so ehrlich und freundlich, dass ich überrascht war. »Das ist es doch, mein Freund, nicht wahr? Die Liebe ist gekommen – nicht, wie Sie es sich vorgestellt hatten, bunt und prachtvoll und mit strahlendem Gefieder, sondern traurig und auf blutenden Füßen. Nun ja – ich habe Sie gewarnt. Als mir aufging, dass dieses Mädchen das Messer genommen haben musste, habe ich Sie gewarnt. Sie erinnern sich vielleicht. Aber es war schon zu spät. Doch nun sagen Sie mir, wie viel wissen Sie?«
Ich schaute ihm in die Augen.
»Nichts, was Sie mir erzählen könnten, würde mich noch überraschen, Poirot. Das müssen Sie verstehen. Falls Sie vorhaben, Ihre Suche nach Miss Duveen wieder aufzunehmen, dann sollten Sie sich eins klar vor Augen halten. Wenn Sie sich einbilden, Sie sei in das Verbrechen verwickelt oder mit der mysteriösen Dame identisch, die Mr Renauld am letzten Abend besucht hat, dann irren Sie sich. Ich bin an jenem Tag mit ihr aus Frankreich gekommen und habe mich erst abends im Victoria-Bahnhof von ihr getrennt, sie kann also unmöglich in Merlinville gewesen sein.«
»Ah!« Poirot musterte mich nachdenklich. »Und das würden Sie vor Gericht beschwören?«
»Aber selbstverständlich.«
Poirot erhob sich und machte eine Verbeugung.
»Mon ami! Vive l’amour! Sie kann Wunder wirken. Sie sind wirklich auf eine geniale Idee gekommen. Damit ist sogar Hercule Poirot geschlagen!«
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Probleme zeichnen sich ab
N ach anstrengenden Momenten, wie ich eben einen beschrieben habe, kann die Reaktion nicht ausbleiben. Ich begab mich an diesem Abend mit einem Gefühl des Triumphs zur Ruhe, doch am nächsten Morgen ging mir auf, dass ich mein Schäfchen noch längst nicht im Trockenen hatte. Sicher, ich fand keine schwache Stelle in dem Alibi, das ich mir so spontan aus den Fingern gesogen hatte. Ich brauchte nur bei meiner Geschichte zu bleiben, dann konnte ich mir unmöglich vorstellen, dass Bella eine Verurteilung drohte.
Doch ich wusste, dass ich vorsichtig sein musste. Poirot würde sich nicht so einfach geschlagen geben. Er würde versuchen, den Stich doch noch an sich zu bringen, und das auf eine Art und in einem Moment, auf die ich am wenigsten gefasst war.
Wir trafen uns am nächsten Morgen zum Frühstück, als sei nichts geschehen. Poirots gute Laune schien unerschütterlich, doch ich entdeckte in seinem Verhalten auch einen Hauch mir bis dahin unbekannter Reserviertheit. Nach dem Frühstück verkündete ich, ich wolle einen Spaziergang machen. Poirots Augen funkelten boshaft.
»Sollten Sie Auskünfte einholen wollen, so können Sie sich diese Mühe sparen. Ich kann Ihnen alles erzählen, was Sie wissen möchten. Die Dulcibella-Schwestern
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