Mord auf dem Golfplatz
hatte mir nicht einmal in der wildesten Phantasie ausgemalt, dass die Liebe in einer solchen Verkleidung zu mir kommen könnte. Aber ich antwortete ganz einfach und natürlich:
»Weil ich dich liebe, Cinderella.«
Wie beschämt senkte sie den Kopf und murmelte mit belegter Stimme: »Das kannst du nicht – das kannst du nicht – du weißt doch nicht…« Dann schien sie sich zusammenzureißen, sie schaute mir in die Augen und fragte: »Was weißt du denn eigentlich?«
»Ich weiß, dass du in der Mordnacht bei Mr Renauld gewesen bist. Er bot dir einen Scheck an, den du empört zerrissen hast. Dann hast du das Haus verlassen…« Ich verstummte.
»Weiter – was dann?«
»Ich weiß nicht, ob du wusstest, dass Jack Renauld in dieser Nacht kommen würde, oder ob du einfach in der Hoffnung auf eine Begegnung noch dort gewartet hast, auf jeden Fall hast du gewartet. Vielleicht warst du einfach unglücklich und bist ziellos herumgelaufen – jedenfalls warst du kurz vor Mitternacht noch da und hast auf dem Golfplatz einen Mann gesehen…«
Wieder unterbrach ich mich. Die Wahrheit war mir blitzartig aufgegangen, als Cinderella das Zimmer betreten hatte, aber jetzt sah ich das Bild noch viel klarer. Ich sah das Muster des Mantels vor mir, der den Leichnam von Mr Renauld eingehüllt hatte, ich dachte an die erstaunliche Ähnlichkeit, die mir für einen Moment die Vorstellung eingegeben hatte, der Töte sei von den Toten auferstanden, als sein Sohn zu uns in den Salon gestürzt war.
»Weiter«, sagte sie noch einmal mit ruhiger Stimme.
»Ich nehme an, dass er dir den Rücken zugekehrt hatte – aber du hast ihn erkannt oder das zumindest geglaubt. Sein Schritt und seine Haltung und auch das Muster seines Mantelstoffes waren dir vertraut.« Ich legte eine kleine Pause ein. »Du hast in einem deiner Briefe an Jack Renauld eine Drohung ausgestoßen. Als du ihn dort sahst, hast du vor Zorn und Eifersucht den Verstand verloren – und zugestoßen. Ich glaube nicht eine Sekunde, dass du ihn umbringen wolltest. Aber du hast ihn umgebracht, Cinderella.«
Sie schlug die Hände vors Gesicht und sagte mit erstickter Stimme: »Du hast Recht… du hast Recht… jetzt, wo du es sagst, sehe ich es vor mir.« Dann fuhr sie fast wütend zu mir herum. »Und du liebst mich? Jetzt, wo du das alles weißt, wie kannst du mich da noch lieben?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich ein wenig müde. »Ich glaube, die Liebe ist einfach so – wir können nicht dagegen an. Ich habe es versucht, das habe ich wirklich – schon seit unserer ersten Begegnung. Aber die Liebe war zu stark für mich.«
Und da, als ich am wenigsten damit rechnete, brach sie plötzlich wieder zusammen, warf sich auf den Boden und schluchzte heftig.
»Nein, das geht nicht!«, rief sie. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich weiß nicht, wohin. Oh, hab Mitleid mit mir, hab Mitleid mit mir und sag mir, was ich tun soll.«
Wieder kniete ich neben ihr nieder und gab mir alle Mühe, sie zu beruhigen. »Hab keine Angst vor mir, Cinderella. Um Gottes willen, hab keine Angst vor mir. Ich liebe dich wirklich – aber ich will keine Gegenleistung. Ich möchte dir nur helfen. Liebe ihn weiterhin, wenn du ihn lieben musst, aber lass mich dir helfen, er kann das doch nicht.«
Nachdem ich das gesagt hatte, schien sie wie zu Stein erstarrt. Sie nahm die Hände vom Gesicht und starrte mich an.
»Das glaubst du?«, flüsterte sie. »Du glaubst, dass ich Jack Renauld liebe?«
Halb lachend und halb weinend schlang sie mir leidenschaftlich die Arme um den Hals und drückte ihr süßes, nasses Gesicht an meins.
»Nicht so sehr, wie ich dich liebe«, flüsterte sie. »Niemals so sehr wie dich.«
Ihre Lippen streiften meine Wange, dann suchten sie meinen Mund und küssten mich wieder und wieder, unvorstellbar heiß und süß. Es war so wild und so umwerfend und so unbegreiflich, ich werde es mein Leben lang nicht vergessen!
Ein Geräusch bei der Tür ließ uns hochfahren. Dort stand Poirot und sah uns an.
Ich kannte kein Zögern. Sofort stand ich neben ihm und presste ihm die Arme an die Seiten.
»Schnell«, sagte ich zu Cinderella. »Mach, dass du wegkommst. So schnell wie möglich. Ich werde ihn festhalten.«
Sie sah mich kurz an, dann jagte sie an uns vorbei aus dem Zimmer. Ich hielt Poirot mit eisernem Griff fest.
» Mon ami«, sagte der mit sanfter Stimme. »Sie machen das sehr gut. Der starke Mann hat mich in seiner Macht, und ich bin hilflos wie ein Kind. Aber das alles ist
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