Mord auf dem Golfplatz
haben ihren Vertrag gekündigt und Coventry mit unbekanntem Ziel verlassen.«
»Ist das wahr, Poirot?«
»Glauben Sie mir, Hastings. Ich habe mich heute früh sogleich erkundigt. Was hatten Sie denn eigentlich erwartet?«
Natürlich hatte ich unter diesen Umständen nichts anderes erwarten können. Cinderella hatte den kleinen Vorsprung, den ich ihr hatte verschaffen können, genutzt, und sie würde jede weitere Sekunde nutzen, um sich aus der Reichweite ihres Verfolgers zu entfernen. Genau das hatte ich gewollt und geplant. Dennoch ging mir auf, dass ich hier in ein Netz aus neuen Schwierigkeiten geriet.
Ich hatte keinerlei Möglichkeit, Kontakt zu ihr aufzunehmen, aber sie musste doch erfahren, dass ich ein Alibi für sie ersonnen hatte, das ich auch vertreten wollte. Natürlich war es möglich, dass sie auf irgendeine Weise versuchen würde, mich zu erreichen, aber ich hielt das kaum für wahrscheinlich. Sie musste wissen, dass Poirot ihre Nachricht vermutlich abfangen und damit wieder auf ihre Spur gelenkt sein würde. Ihr blieb wirklich nichts anderes übrig, als fürs Erste ganz und gar verschwunden zu bleiben.
Aber was trieb derweil Poirot? Ich musterte ihn sorgfältig. Mit ungeheuer unschuldiger Miene starrte er nachdenklich ins Leere. Er wirkte einfach zu gelassen und locker, um mich in Sicherheit zu wiegen. Ich hatte inzwischen gelernt, dass Poirot umso gefährlicher war, je harmloser er aussah. Seine Ruhe machte mir Angst. Er schien diese Besorgnis aus meinem Blick zu lesen und lächelte mir wohlwollend zu.
»Sie sind verwirrt, Hastings? Sie fragen sich, warum ich nicht die Verfolgung aufnehme?«
»Nun ja – im Grunde schon.«
»Sie würden das an meiner Stelle tun. Das ist mir klar. Aber ich bin keiner von denen, die durch die Gegend jagen, um eine Nadel im Heuhaufen zu suchen, wie Sie hier zu Lande sagen. Nein – Mademoiselle Bella Duveen mag gehen, wohin sie will. Zweifellos werde ich sie zu gegebener Zeit finden. Und so lange warte ich gern.«
Ich starrte ihn skeptisch an. Versuchte er, mich in die Irre zu führen? Ich hatte das aufreizende Gefühl, dass er selbst jetzt noch Herr der Lage war. Mein Überlegenheitsgefühl bröckelte mehr und mehr. Ich hatte Cinderella die Möglichkeit zur Flucht eröffnet und einen genialen Plan entwickelt, um sie vor den Folgen ihrer übereilten Tat zu bewahren – aber ich spürte keine Erleichterung. Poirots vollkommene Ruhe weckte tausend Befürchtungen in mir.
»Ich nehme an, Poirot«, sagte ich einigermaßen gelassen, »ich darf Sie nicht nach Ihren Plänen fragen? Dieses Recht habe ich ja verscherzt.«
»Aber durchaus nicht. Die sind doch kein Geheimnis. Wir werden unverzüglich nach Frankreich zurückkehren.«
»Wir?«
»Genau – wir! Sie wissen sehr gut, dass Sie es sich nicht leisten können, Papa Poirot aus den Augen zu lassen. Eh? Stimmt das nicht, mein Freund? Aber Sie können natürlich gern in England bleiben, wenn Sie möchten.«
Ich schüttelte den Kopf. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich konnte es mir nicht leisten, ihn aus den Augen zu lassen. Nach allem, was vorgefallen war, konnte ich zwar nicht mit seinem Vertrauen rechnen, aber ich konnte ihn immerhin überwachen. Er war die einzige Gefahr, die Bella drohte. Giraud und die französische Polizei scherten sich nicht um ihre Existenz. Ich musste um jeden Preis in Poirots Nähe bleiben.
Poirot beobachtete mich aufmerksam, während ich mir das alles überlegte, und nickte zufrieden.
»Ich habe Recht, nicht wahr? Und da es Ihnen durchaus zuzutrauen wäre, mich zu verfolgen, in irgendeiner absurden Tarnung wie einem falschen Bart – was alle Welt natürlich sofort durchschauen würde, bien entendu –, wäre es mir doch angenehmer, wenn wir gemeinsam reisten. Es wäre mir gar nicht lieb, wenn andere sich über Sie lustig machten.«
»Also gut. Aber anstandshalber möchte ich Sie warnen…«
»Ich weiß – ich weiß alles. Sie sind mein Feind. Also seien Sie mein Feind. Das macht mir weiter nichts aus.«
»Wenn alles fair und offen vor sich geht, stört es mich nicht.«
»Sie teilen die englische Leidenschaft für ›fair play‹ wirklich, und da Ihre Skrupel nun beruhigt sind, sollten wir aufbrechen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Unser Aufenthalt in England war kurz, aber ausreichend. Ich weiß – was ich wissen wollte.«
Das sagte er leichthin, aber ich las doch eine verborgene Drohung in seine Worte hinein.
»Dennoch«, begann ich und verstummte gleich
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