Mord auf dem Golfplatz
recht gute kleine Nummer. Im Moment treten sie irgendwo in der Provinz auf, glaube ich, wenn sie nicht gerade pausieren. Während der letzten zwei oder drei Wochen waren sie in Paris.«
»Können Sie herausfinden, wo genau sie sich aufhalten?«
»Kinderspiel. Gehen Sie nach Hause, ich beliefere Sie morgen früh.«
Nachdem er das versprochen hatte, verabschiedeten wir uns. Und er hielt Wort. Gegen elf am folgenden Morgen wurde uns eine hingekritzelte Mitteilung gebracht.
»Die Dulcibella-Schwestern treten im Palace in Coventry auf.
Viel Glück.«
Ohne viel Federlesen brachen wir nach Coventry auf. Poirot erkundigte sich nicht im Theater nach den Gesuchten, er reservierte einfach für die Abendvorstellung Plätze.
Die Vorstellung war unbeschreiblich langweilig – aber vielleicht kam sie ja auch nur mir so vor. Japanische Familien balancierten waghalsig aufeinander, Möchtegern-Gecken in grünlichem Smoking und mit sorgfältig pomadisierten Haaren erzählten Anekdoten aus der Gesellschaft und tanzten wunderbar. Fette Primadonnen sangen am oberen Ende des menschlichen Registers, ein Komiker versuchte, einen bekannten Politiker zu parodieren, und erlitt dabei jämmerlich Schiffbruch.
Aber endlich wurden die Dulcibella Kids angekündigt. Mein Herz hämmerte schmerzhaft. Und da war sie – da waren sie beide, die Schwestern, die eine blond, die andere dunkel, beide gleich groß, beide in kurzen Wipperöckchen und schweren Stiefeln. Sie sahen aus wie zwei ungeheuer pikante Kinder. Sie sangen, ihre Stimmen klangen frisch und fröhlich, ein wenig dünn und varietémäßig, aber doch attraktiv.
Es war wirklich eine hübsche kleine Nummer. Sie waren gute Tänzerinnen und führten einige überzeugende akrobatische Kunststücke vor. Ihre Liedtexte waren frech und mitreißend. Als der Vorhang fiel, erhob sich heftiger Applaus. Die Dulcibella Kids waren ganz offenkundig ein Erfolg.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, es im Theater nicht mehr aushalten zu können. Ich brauchte frische Luft. Ich schlug Poirot den Aufbruch vor.
»Gehen Sie ruhig, mon ami. Ich unterhalte mich sehr gut und will die ganze Vorstellung erleben. Wir sehen uns später.«
Das Theater lag nur wenige Schritte von unserem Hotel entfernt. Ich ging in unser Wohnzimmer, bestellte mir einen Whisky und Soda, trank und starrte nachdenklich in den leeren Kamin. Ich hörte die Tür gehen und schaute mich, Poirot erwartend, um. Doch dann sprang ich auf. In der Tür stand Cinderella.
Zögernd und unter leichtem Keuchen sagte sie:
»Ich habe Sie im Theater gesehen. Sie und Ihren Freund. Als Sie aufgebrochen sind, habe ich draußen gewartet und Sie verfolgt. Warum sind Sie hier – in Coventry? Was wollten Sie heute Abend im Theater? Und Ihr Begleiter, ist das der – Detektiv?«
Da stand sie nun, und der Umhang, den sie über ihr Kostüm geworfen hatte, rutschte ihr von den Schultern. Ich sah ihre bleiche Wange unter dem Rouge und hörte die Angst in ihrer Stimme. Und in diesem Moment begriff ich alles – ich begriff, warum Poirot sie suchte und wovor sie sich fürchtete, und endlich begriff ich auch mein eigenes Herz…
»Ja«, sagte ich sanft.
»Sucht er – mich?« Das flüsterte sie fast.
Und als ich nicht sofort antwortete, sackte sie neben dem Sessel zu Boden und brach in verzweifeltes Schluchzen aus.
Ich kniete neben ihr nieder, nahm sie in die Arme und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Nicht weinen, Kind, nicht weinen, um Gottes willen. Hier kann dir nichts passieren. Ich kümmere mich um dich. Nicht weinen, Liebling. Nicht weinen. Ich weiß – ich weiß alles.«
»Nein, das tust du nicht.«
»Ich glaube doch.« Und gleich darauf wurde ihr Schluchzen leiser, und ich fragte: »Du hast das Messer gestohlen, nicht?«
»Ja.«
»Und deshalb sollte ich dich umherführen? Deshalb hast du die Ohnmacht vorgetäuscht?«
Wieder nickte sie.
»Warum hast du das Messer genommen?«, fragte ich weiter.
Sie antwortete mit kindlicher Schlichtheit: »Ich hatte Angst, es könnten Fingerabdrücke drauf sein.«
»Hattest du denn vergessen, dass du Handschuhe getragen hast?«
Sie schüttelte verwirrt den Kopf und fragte langsam: »Wirst du mich verraten – der Polizei?«
»Großer Gott – nein!«
Sie schaute mich an, lange und voller Ernst, und dann fragte sie mit leisem Stimmchen, das vor sich selbst Angst zu haben schien: »Warum nicht?«
Es waren ein seltsamer Ort und eine seltsame Zeit für eine Liebeserklärung – und Gott weiß, ich
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