Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
gesteuert, aber nicht bei diesen Bedingungen.
Valentin war hocherfreut, meinte er doch, er würde so an ein paar klösterliche Informationen kommen.
»Das trifft sich gerade gut«, meinte er. »Ich muss meine Gäste abholen.« Der Klosterwirt kümmerte sich darum, die Leute des Forschungsteams vom Festland auf die Insel zu bringen. Und weil er sie seine Gäste nannte, waren die meisten, wie sich Althea denken konnte, in seinem Hotel abgestiegen.
»Ist dir die Aufregung zu viel?«, wollte er wissen. »Oder warum musst du unbedingt beim schlechtesten Wetter über den See?«
Der Wind zauste Valentins braune Locken. Er war ein ansehnlicher Mittfünfziger.
»Ich brauche Winterschuhe«, gab Althea Auskunft.
»Jetzt? Ist ein bisschen spät«, meinte er. »Wohin soll’s gehen?«
»Nach Gstadt bitte schön.« Valentin würde sich seinen eigenen Reim darauf machen, er kommentierte den Wunsch mit hochgezogenen Brauen und einem süffisanten »Soso«. Althea wusste genauso gut wie der Klosterwirt, dass Schuhgeschäfte eher in Prien zu finden waren.
»Das taugt nicht fürs Radio, oder?«, fragte Althea.
»Jetzt kränkst du mich aber!« Valentin Zeiser lachte.
Eine richtige Unterhaltung war nicht möglich, denn der Wind blies kalt und erbarmungslos von den schneebedeckten Bergen. Althea bereute, dass sie sich nicht etwas anderes angezogen hatte. Weltlicher und dafür wärmer. Wenigstens konnte sie sich die Kapuze über den Kopf ziehen.
Die Häuser kamen in Sicht, ihre Dächer so weiß wie der Himmel. Nicht ein Stückchen Blau dazwischen, und von den Dachrinnen hingen lange Eiszapfen.
Als Valentin sie in Gstadt am Steg absetzte, hatte es wieder zu schneien begonnen. Er bot an, sie abzuholen, sie brauche ihn nur anzurufen. »Ich könnte auch auf dich warten«, schlug er vor.
»Danke, aber das geht nicht«, sagte sie, was seine Mundwinkel erneut zum Zucken brachte. »Du hast noch etwas anderes vor«, erkannte er feinsinnig. »Schon gut, ich verrate nichts – was denn?«
Althea würde ihm auch keine Gelegenheit zum Verrat geben, sie stieg aus dem Boot und winkte.
Es war klüger, die Schuhe gleich zu kaufen, denn von Gstadt aus war es noch ein Stück zu laufen. Das Haus von Katharina Venzl lag am nördlichen Seeufer. Also musste Althea zuerst in die entgegengesetzte Richtung. Am Kirchplatz in Gstadt gab es einige Ladengeschäfte, darunter auch einen Schuhladen.
Die ersten Touristen waren Pilger gewesen, und Althea kam sich gerade genauso vor. Wahrscheinlich hatten auch die ungenügendes Schuhwerk getragen, wenn auch aus anderen Gründen als sie.
Der Laden führte exklusive Marken. Althea hatte nichts gegen exklusiv, sehr wohl aber gegen überteuert. Der Apfel, in den sie hier biss, schmeckte wirklich sauer.
Dalmetias Fotokurs war nicht billig gewesen, doch Altheas neu erworbene Chiemsee-Stiefel konnten vermutlich mithalten.
Aber sie sahen schick aus. Was allerdings unter ihrer Kutte niemand bemerken würde. Wenigstens konnte sie gut damit laufen. Die Gehsteige waren nur ungenügend geräumt, und es waren einige Ausfallschritte nötig, wollte man die Richtung verändern. Es war richtiggehend anstrengend, und sie beglückwünschte sich zu ihrem Kauf.
Althea hatte das kleine Haus erreicht, zog sich die Kapuze vom Kopf und schüttelte sich. Ein großes Tier bog um die Hausecke und begutachtete sie ausgiebig. »Das glaube ich nicht«, flüsterte Althea. »Ist außer dir jemand zu Hause?«, erkundigte sie sich bei ihm.
»So unauffällig bist du nicht, Schwester Althea. Wir haben dich schon gesehen.« Die Tür öffnete sich, und ihr schauten graue Augen entgegen, hinter denen die Welt eine andere war. Althea vermittelten sie ein Gefühl der Wärme, das Einzige, was sie fürchtete, war, dass diese Frau eines schönen Tages zu ihrem Herrgott ging.
»Du hast grade was Nettes gedacht«, sagte die alte Kath.
»Halb, halb«, antwortete Althea. »Sterben ist nicht so nett.«
»Sterben ist nur für die anderen nicht so nett, für einen selbst ist es schon machbar. Aber etwas anderes ist schlimm. Und das Schlimme kam jetzt auf der Insel zum Vorschein.«
Kath hielt ihr die Tür auf. »Deine Stiefel sehen gut aus, aber Schnee und Nässe kann ich in meiner Küche nicht brauchen. Du bekommst von mir Filzschlappen.«
Althea nickte, zog ihren Mantel und die neuen Stiefel aus und schlüpfte in die angebotenen Schlappen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie den Fuchs. »Er ist ein schöner Kerl.«
»Ich nenne ihn Renard«, sagte
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