Mord auf Raten
Stunde später stellte Brandt seinen Alfa 147 im Parkhaus Hauptwache ab. Als sie ins Freie traten, glaubte er in einem Glutofen zu sein. Die Luft war heiß und schwer zu atmen, die Dusche von vorhin gehörte längst der Vergangenheit an, Schweiß rann in Bächen über seinen Körper.
»Willst du dir ein bestimmtes Buch kaufen?«, fragte Andrea, als sie durch die B-Ebene der Hauptwache gingen.
»
Stupid White Men
von Michael Moore. Steht seit Monaten auf der Bestsellerliste, alle reden drüber, weil er so auf’n Busch haut. Ich meine
den
Bush, wenn du verstehst.«
»Bin ja nicht blöd. Hab nur davon gehört, aber noch nicht gelesen. Ich geh ganz nach oben, in die Esoterik-Ecke.«
»Und da?«
»Ein Buch von Michael Newton,
Die Reisen der Seele
. Interessiert dich bestimmt nicht.«
»Um was geht’s denn da?«
»Leben nach dem Tod und so weiter.«
»Warum sollte mich das nicht interessieren? Du meinst wohl, ich würde nur das glauben, was ich mit meinen fünf Sinnen wahrnehme?«
»Entschuldigung, aber …«
»Wenn ich dir erzählen würde, was ich schon alles erlebt habe. Aber darüber können wir uns ja später unterhalten.«
Im Geschäft trennten sie sich, Andrea fuhr mit der Rolltreppe nach oben, während Brandt im Erdgeschoss blieb. Nach einer Stunde hatte er fünf Bücher in der Hand, drei Sachbücher und zwei Romane, während Andrea sich gleich zwei Bücher von Newton geholt hatte. Sie gingen zur Kasse, schauten auf die Uhr und bezahlten. Brandt warf im Hinausgehen einen Blick auf den Kassenzettel und schnalzte mit der Zunge.
»Schau an«, sagte er, »als der Bon ausgedruckt wurde, wares genau neunzehn Uhr zwei, aber hier steht neunzehn Uhr vierzehn. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass von gestern auf heute eine Korrektur vorgenommen wurde. Also, was sagt uns das? Wedel war nicht um halb acht bei Hugendubel, sondern mindestens zwölf Minuten vorher. Und schon davor beim Herrenausstatter.«
»Was beweist das schon?«
»Er hat uns angelogen, ganz einfach. Und ich traue Menschen nicht, die mich in einem Mordfall anlügen. Er hat Zeit genug gehabt, um um acht wieder in Offenbach zu sein, selbst wenn er zwischendurch noch an einer Pommesbude Halt gemacht hat.«
»Ich bitte dich, du hast nichts, aber auch rein gar nichts gegen ihn in der Hand. Sei vorsichtig, denn wenn er eine reine Weste hat, kann der Schuss ganz schnell nach hinten losgehen. Und Elvira wartet bestimmt nur darauf, dass du einen Fehler machst.«
»Keine Sorge, ich werde ganz behutsam vorgehen, so wie immer.«
Auf der Rückfahrt erzählte Brandt von seinen Gesprächen, die er mit Denise Zinner, Petra Johannsen und Katharina Wedel geführt hatte.
»Du meine Güte«, sagte Andrea, als er geendet hatte, »Kaufung hatte zwei Geliebte gleichzeitig? Und die beiden sind auch noch befreundet? Das ist ja der reinste Sündenpfuhl.«
»Die Zeiten haben sich eben geändert. Mir ist wurscht, mit wie vielen Frauen Kaufung rumgemacht hat. Er ist tot, und ich will seinen Mörder haben. Und ich schwöre dir, ich krieg ihn.«
»Das glaub ich dir, aber nicht mehr heute. Der Abend heute gehört uns, und wir reden auch nicht mehr über den Fall.«
Sie hielten an der Videothek, liehen sich
Pretty Woman
und
Ring
aus, ließen sich Pizza ins Haus liefern und tranken über mehrere Stunden verteilt eine Flasche Rotwein. Sie hatten sämtliche Fenster geöffnet, allmählich wurde die heiße Luft durch kühlere ersetzt und damit der Aufenthalt in der Wohnung erträglicher, und es war wieder weit nach Mitternacht, bevor sie zu Bett gingen. In den nächsten fünf Wochen aber war an Schlaf kaum zu denken, eine Hitzewelle hatte das Land erfasst, wie man sie hier noch nie erlebt hatte. Die Temperaturen in den Häuserschluchten der Innenstädte stiegen bisweilen auf über vierzig Grad an, die Nächte waren so warm wie früher ein normaler Sommertag. Es gab viele, die unter dieser Hitze litten, vor allem Alte und Kranke. Die Pegelstände der Flüsse und Seen sanken auf Rekordwerte, überall in West- und Südeuropa herrschten zum Teil verheerende Waldbrände, und fast jeder sehnte sich nach einem Ende dieses Sommers. Auch Brandt, der sich am wohlsten in seinem Auto fühlte, wenn die Klimaanlage lief.
Ende Juli bis Mitte September 2003
In den folgenden Tagen und Wochen liefen die Ermittlungen im Fall Kaufung auf Hochtouren, Klaus Wedel und dessen Umfeld wurden von Brandt und Eberl mehrere Male befragt, ebenso alle Frauen, die in den
Weitere Kostenlose Bücher