Mord auf Raten
weiterbringen würde. Der Angriff kam definitiv von hinten, das heißt, Kaufung muss dem Angreifer oder der Angreiferin den Rücken zugewandt haben. Aber aufgrund der Tiefe der Stichkanäle und auch der Form muss die Person ziemlich kräftig sein, weshalb ich eine Frau fast ausschließen würde. Denn es wurde ja kein scharfes Messer, sondern ein Brieföffner benutzt.«
»Wie groß war Kaufung?«, fragte Brandt.
»Eins zweiundachtzig, circa fünfundsiebzig Kilo, sehr durchtrainiert und muskulös, aber nicht wie ein Bodybuilder. Der Typ hatte ein unglaubliches Körperbewusstsein. Ehrlich, ich hab selten einen solch perfekten Körper auf den Tisch gekriegt. Da tut’s richtig weh, wenn man so was aufschneiden muss.«
»Ach ja, wie hab ich das denn zu verstehen?«
»Och, hab ich nur so gesagt. Aber mit dir kann der im Leben nicht mithalten.«
»Dein Glück, du hast gerade noch deinen Kopf gerettet.« Und nach einer kurzen Pause: »Sag mal, wie verlaufen eigentlich die Stichkanäle?« Brandt erhob sich wieder, zog sein Hemd und die Hose aus und legte beides über einen Stuhl.
»Was hast du denn vor?«, fragte Andrea und fuhr sich lasziv mit der Zunge über die Lippen.
»Meinen perfekten Body wässern«, erwiderte er. »Und jetzt beantworte bitte meine Frage, das ist wichtig.«
»Ich gehe stark davon aus, dass der Täter kleiner als Kaufung ist, denn die Einstichkanäle verlaufen leicht ansteigend.«
»Wie viel kleiner?«
»Warte mal kurz«, sagte sie und stand auf und stellte sich hinter Brandt. »Du bist eins siebzig und ich eins fünfundsechzig. Fünf bis maximal zehn Zentimeter.«
»Schau an. Und du sagst kräftig.« Brandt drehte sich um und sah Andrea nachdenklich an. »Ich habe heute so jemanden kennen gelernt. Eine Idee größer als ich, schlank, aber muskulös.« Er schürzte die Lippen und schien für einen Moment durch Andrea hindurchzusehen.
»Verrätst du mir auch, wer das ist?«
»Sein bester Freund, dieser Wedel.«
»Der Galerist? Wie kommst du darauf, dass er …«
»Weiß ich noch nicht«, antwortete Brandt schnell. »Ich muss jetzt erst mal den Schweiß runterkriegen und meine Gedanken sortieren.«
Er verschwand im Bad, ohne die Tür hinter sich zuzumachen. Das lauwarme Wasser empfand er als ausgesprochen angenehm, das kühlende Duschgel tat sein Übriges dazu. Er wusch sich die Haare, rasierte sich und zog eine kurze Hose und ein T-Shirt über. Aus der Küche holte er eine Flasche Bier und ein Glas und ließ sich in den Sessel fallen.
»Das tut gut«, sagte er, nachdem er ausgetrunken hatte. »Unternehmen wir heute Abend was?«
»Mach einen Vorschlag.«
»Kino?«
»Was läuft denn?«
»Du hörst dich nicht gerade begeistert an. Also kein Kino. Das Essen von gestern nachholen?«
»Im Augenblick bin ich müde und würde am liebsten hier bleiben. Du müsstest doch auch todmüde sein nach der kurzen Nacht und dem anstrengenden Tag.«
»Geht so. Aber wir können ja zwei Stunden schlafen und dann weitersehen. Wenn ich überhaupt schlafen kann.« Er trank das zweite Glas Bier und warf einen Blick in den Bericht der Spurensicherung. Was er las, war aussagelos, keine einer einschlägig vorbestraften Person zuzuordnende Fingerabdrücke, keine Kampfspuren. Er legte die Akte wieder auf den Tisch.
»Okay«, sagte sie, »dann schieß doch mal los. Was für ein Typ ist dieser Wedel, vielleicht kann ich dir helfen?«
»Du hast ihn ja noch nicht mal gesehen.«
»Na und? Meine Erkenntnisse gepaart mit deinen … Spann mich bitte nicht so auf die Folter.«
»Er hat geschauspielert, das weiß ich. Die Trauer um seinen Freund war nicht echt, auch wenn er uns zu erklären versuchte, dass er die nicht so zeigen kann. Dazu kommt, dass Wedel die letzte Person war, die mit Kaufung telefoniert hat.«
»Und um was ging’s bei dem Gespräch?«
»Er hat das Tennis mit ihm abgesagt, weil er noch ein paar dringende Sachen zu erledigen hatte.« Er schloss für einen Moment die Augen und dachte nach. Mit einem Mal kam er nach vorn und sagte: »Das ist es. Er hat abgesagt, weil er
angeblich
noch dringend etwas zu erledigen hatte. Aber das Einzige, was er uns vorweisen kann, ist eine Quittung von einem Herrenausstatter und ein Kassenbon von Hugendubel, wo er auch um kurz vor halb acht war …«
»Wenn ich dich unterbrechen darf«, sagte Andrea, »aber diese Kassenzettel lügen manchmal. Die Uhrzeit darauf stimmt bisweilen nicht. Die zeigen halt hin und wieder nicht die genaue Uhrzeit an.«
»Echt? In welche
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