Mord auf Raten
Wedelund viele andere waren von der charismatischen Ausstrahlung Pattersons begeistert, nur Sandra Heuser nicht, die in ihm eher einen blasierten und arroganten Typen sah, der so sehr von sich überzeugt war und dies sein Umfeld auch spüren ließ, dass es sie fast anwiderte. Ein weiterer Grund war sicherlich, dass er ihr gleich beim ersten Zusammentreffen in der Galerie unverhohlen Avancen gemacht hatte, aber er war Ende fünfzig und sie gerade einmal achtundzwanzig, und sie würde sich schon gar nicht kaufen lassen. Die Abfuhr hatte Patterson getroffen, auch wenn er sich das nicht anmerken ließ.
Doch daran verschwendete sie heute keinen Gedanken, wichtig war, der Ausstellung den letzten Schliff zu verpassen, denn für den Eröffnungstag, an dem der große Meister persönlich anwesend sein würde, hatten sich viele Journalisten von großen und kleinen Zeitungen und Magazinen sowie Rundfunk und Fernsehen nicht nur des Rhein-Main-Gebiets angekündigt und würden Offenbach so für einen kurzen Zeitraum zum Interesse der Öffentlichkeit machen, war dies doch das erste Mal überhaupt, dass Patterson in Deutschland ausstellte. Am 26. September um Punkt neunzehn Uhr würde die Ausstellung feierlich eröffnet werden und die letzten Besucher sich am 31. Oktober verabschieden. Abschließend sollte es eine große Feier geben, bis der normale Alltag wieder in der Galerie Einzug hielt.
Sandra Heuser überquerte die Waldstraße, auf der wie meist um diese Zeit reger Verkehr herrschte. Die Gitter vor dem Eingang waren noch heruntergelassen. Sie ging durch den Hof, um durch die Hintertür, die aus einbruchsicherem Material und Schloss bestand, in die Galerie zu gelangen. Sie lächelte in die Überwachungskamera über ihr und tippte den vierstelligen Code ein. Erst dann war es ihr möglich, mitdem Schlüssel die Tür zu öffnen. Sie würde wie immer die Erste sein – ihre beiden Kolleginnen und Wedel erschienen in der Regel um kurz vor zehn, die Neue manchmal auch erst um elf, dafür blieb sie meist länger – und die Nachrichten, falls welche vorhanden waren, auf dem Anrufbeantworter abhören und notieren. Das Hochziehen der Gitter war Aufgabe ihres Chefs, der als Einziger den Code der Alarmanlage für den Eingangsbereich kannte. Patterson hatte auf diese Sicherheitsvorkehrungen bestanden, die zwar sehr kostenintensiv waren, was Wedel aber gelassen hinnahm, hatte er doch bereits weitere große Pläne für die Zukunft.
Sie zog die Tür hinter sich zu, sah nach, ob auch alles sauber und aufgeräumt war, nickte zufrieden und begab sich in den hinteren Teil der Galerie, um den Anrufbeantworter abzuhören. Es befanden sich nur vier Nachrichten von Stammkunden und Freunden Wedels darauf, die um einen Rückruf baten.
Sie wollte bereits wieder nach unten gehen, als sie innehielt und sich über die einen Spaltbreit offene Tür zu Wedels Büro wunderte. Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, denn normalerweise machte ihr Chef jeden Abend, bevor er die Galerie verließ, seine Tür zu, meistens schloss er sie sogar ab. Sandra Heuser dachte, vielleicht ist er schon da, ging hin und warf einen Blick in das Büro. Sie rümpfte die Nase, ein merkwürdiger Geruch hing in der Luft. Mit einem Mal erstarrte sie, alles in ihr zog sich zusammen, sie hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Er saß in seinem Ledersessel hinter dem Schreibtisch, den Kopf zur Seite geneigt, sein Hemd war blutgetränkt. Sie trat langsam näher heran, schluckte schwer, ihr Herz begann zu rasen. Eine große Blutlache hatte sich um den Sessel herum gebildet, das Blut war bereits verkrustet. Erst jetzt bemerkte sieseine weit aufgerissenen Augen, die ins Nichts starrten. Es war wie in einem Horrorfilm, nur dies war die Wirklichkeit.
Sandra Heuser schrie nicht, wie die meisten andern es getan hätten, sie griff mechanisch zum Telefon, tippte die 110 ein und sagte mit ruhiger Stimme: »Kommen Sie bitte schnell in die Waldstraße, Galerie Wedel. Herr Wedel ist tot, er wurde umgebracht.« Danach legte sie auf, warf einen weiteren Blick auf den Toten und begab sich nach draußen. Mit fahrigen Fingern zündete sie sich eine Zigarette an und setzte sich auf einen Stuhl. Wedel hatte verboten, in der Galerie zu rauchen, aber das kümmerte sie jetzt herzlich wenig, ihn würde es sowieso nicht mehr stören. Sie dachte nicht, ihr Kopf war leer. Sie rauchte die Zigarette bis zum Filter, stand auf, holte eine Untertasse aus dem kleinen Schrank, der in der
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