Mord auf Raten
jetzt so eine Frage«, antwortete sie ungewohnt gereizt. »Ich weiß es nicht, er ist mir einfach unsympathisch. Aber ich will und darf mich nicht von persönlichen Gefühlen leiten lassen. Keiner von uns darf das.«
»Und du?«
Brandt hatte die Flasche erneut angesetzt und trank sie aus. Er rülpste leise und sagte: »Jetzt hör doch mal mit diesen Fragen auf! Wenn ihr nichts dagegen habt, nehm ich die Fotos und den Bericht der Spurensicherung mit nach Hause. Vielleicht kommt dort die große Erleuchtung.«
»Aber keine Alleingänge, okay?«, entgegnete Spitzer mahnend.
»Bernie, bitte nerv mich nicht, dazu bin ich jetzt nicht in der Stimmung. Und wenn ich alleine was mach, was dann? Willst du mir den Fall entziehen?«
»Red doch nicht so’n Blödsinn! Bis vor einem halben Jahr hätte ich dir alle Freiheiten zugestanden, die du haben wolltest, aber mit der Klein im Rücken …«
»Die soll mir den Buckel runterrutschen! Ist das der vollständige Bericht der Spusi?«
»Vor zwanzig Minuten reingekommen. Nimm den ganzen Kram mit. Macht ihr morgen auch irgendwas?«
Brandt sah Eberl an und zuckte mit den Schultern. »Keinen Schimmer. Wenn ja, ruf ich dich an, okay?«
Nicole Eberl legte einen Arm um seine Schulter. »Hör zu, ich wäre froh, wenn ich morgen nichts machen müsste. Hast du mich verstanden?«, sagte sie mit unwiderstehlichem Lächeln. Ihre Gereiztheit war schon wieder verflogen.
»Denke schon.«
»Also gut, dann sind wir uns ja einig. Und die Klein braucht das gar nicht zu erfahren. Wenn sie dumme Fragen stellt, sagen wir einfach, dass wir zusammen unterwegs waren. Sollte allerdings in unserem beschaulichen Ort ein weiterer Mord geschehen, lass es mich wissen. Dann wäre ich schon gerne dabei.«
»Sicher. Aber es wird keinen zweiten Mord geben.«
»Woher nimmst du diese Gewissheit?«, fragte Spitzer.
»Wie oft soll ich es noch wiederholen, die Tat geschah im Affekt. Das war kein kaltblütig geplanter Mord. Dem ist irgendwas vorausgegangen, fragt sich nur, was. So, und jetzt hau ich ab. Als Erstes stell ich mich unter die Dusche, und anschließend zieh ich mir ein schönes kaltes Pils rein. Oder auch zwei. Heut brauch ich das. Ciao und bis morgen oder spätestens übermorgen.«
»Mach’s gut, Alter«, sagte Spitzer und stand auf, streckte sich und gähnte erneut. »Ich hau auch ab. Bis dann.«
Brandt und Eberl verließen das Büro, doch nach wenigen Schritten machte Brandt wieder kehrt und fragte Spitzer, der gerade seinen Schreibtisch abschloss: »Sag mal, war eigentlich jemand in Kaufungs Haus?«
»Die Fotos sind auch in der Akte. Aber Didi und Robert wussten ja nicht einmal genau, wonach sie suchen oder worauf sie achten sollten. Kannst morgen ja mal einen Ausflug dorthin machen, soll ’ne richtige Nobelbude sein, wie die zwei gesagt haben.«
»Und die Sprechstundenhilfe?«
»Fehlanzeige. Sie hat die Praxis um halb sechs verlassen und kann absolut nichts sagen. Sie scheint mit den privaten Gewohnheiten von Kaufung nicht vertraut zu sein.«
»Kann man nichts machen. Jetzt bin ich aber endgültig weg.«
Eberl hatte auf Brandt gewartet. Im Hinuntergehen tauschten sie nur noch ein paar Belanglosigkeiten aus, bevor jeder in sein Auto stieg. Als er vor seinem Haus in der Elisabethenstraße ankam, sah er schon von weitem den Wagen von Andrea. Er freute sich darauf, sie zu sehen. Jeder Tag mit ihr war ein guter Tag.
Samstag, 16.30 Uhr
Andrea Sievers hatte bereits die Wohnung aufgeräumt, geduscht und lag, als Brandt zur Tür hereinkam, auf dem Sofa, mit nichts als einer weißen Shorts und einem weißen Spaghetti-Shirt bekleidet.
»Da bist du ja endlich«, empfing sie ihn mit müder Stimmeund wandte ihren Kopf in seine Richtung. »Diese Hitze bringt mich noch um. Ich glaub, ich stell mein Bett in der Pathologie auf.«
»Liebste Andrea, mein Tag war bestimmt heißer als deiner«, erwiderte er, kniete sich vor sie und gab ihr einen Kuss. »Schon lange hier?«
»Seit drei. Und, Erfolg gehabt?«
»Und wie! Wir haben den Täter, morgen beginnt der Prozess, und übermorgen wandert er lebenslang hinter Gitter.« Er machte eine resignierende Handbewegung und sagte: »Es war ein beschissener Tag. Nein, kein Erfolg, nur Befragungen, Befragungen, Befragungen und keine Resultate. Und deine liebe Freundin nervt mich auch schon wieder. Hast du wenigstens was Neues für mich?«
Andrea setzte sich auf, strich sich mit beiden Händen durchs Haar und schüttelte den Kopf. »Nichts, was dich
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