Mord, der keiner sein durfte
Im Jahre 1992 wurde von der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stade der sogenannte »Heidemörder« Thomas H. zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, obwohl an sich alles für einen Freispruch mangels Beweisen sprach. Ausschlaggebend für die Verurteilung war das Gutachten von Professor Wegener, der ein frühes Teilgeständnis des Angeklagten als glaubwürdig gewertet hatte. In Norddeutschland war Wegener die Kapazität auf seinem Gebiet.
Und außerdem: Er hat die Thematik vor Abgabe seines Gutachtens eingehend mit seinem Nachfolger als Chef des Instituts für Psychologie in Kiel, Professor Günter Köhnken , diskutiert, der auch heute noch zu dem Ergebnis steht.
Uwe Barschel war zum Untersuchungsausschuss in Kiel vorgeladen und sollte dort am Montag, dem 12. Oktober 1987, erscheinen. Nichts lag näher, als dass er sich Notizen für diese Sitzung machte. Und doch: Die Überschrift der Notizen ging in diese Richtung, der Inhalt nicht. Er ging in eine völlig andere Richtung und referierte über eine Person namens » Roloff «, für deren Existenz es bis heute keinen Beweis gibt.
Vor dem Hintergrund des Todes und des vermuteten Selbstmordes gewinnen die letzten Zeilen von Uwe Barschel auch eine besondere Bedeutung. Er hatte Fehler begangen, die zum Ende seiner politischen Karriere führten. Art und Umfang dieser Fehler sind bis heute nicht abschließend und sicher beschrieben. Eines ist jedoch sicher: Das Ergebnis des ersten Untersuchungsausschusses zu dieser Frage war für den verstorbenen Uwe Barschel niederschmetternd; das Ergebnis des zweiten Untersuchungsausschusses hat im Dezember 1995 vieles relativiert und die konkrete Verantwortlichkeit Uwe Barschels für manche Aktionen – ungeachtet seiner allgemeinen politischen Verantwortung – schrumpfen lassen.
Ursächlich für sein Karriereende waren seine politischen Freunde. Angefangen hat es mit der Weigerung des Chefs des vorgesehenen Koalitionspartners FDP, Wolf-Dieter Zumpfort , sich gemeinsam mit Uwe Barschel auf einem Foto abbilden zu lassen. Maßgeblich war dann das Drängen seiner Parteifreunde, allen voran der Fraktionsvorsitzende Klaus Kribben , vom Amt des Ministerpräsidenten zurückzutreten. Aus politischer und menschlicher Sicht hätte es sich aufgedrängt, dass Uwe Barschel Notizen macht, die für seine persönliche Rechtfertigung eine Grundlage darstellen konnten. Zudem lag es nahe, dass er eine Abrechnung mit seinen Gegnern, die er bei Lichte betrachtet ja in erster Linie unter seinen eigenen Parteifreunden zu suchen hatte, strukturiert. Beides ist nicht der Fall.
Solche Notizen hätten aber vor allem dann nahegelegen, wenn Uwe Barschel einen Selbstmord geplant hätte. Er hätte kaum auf eine solche persönliche Rechtfertigung und eine solche Abrechnung verzichtet, zumal ein solches »politisches Testament« nicht als Abschiedsbrief hätte missverstanden werden können.
Tatortskizze: Zimmer 317, Hotel »Beau-Rivage«
Dank
Ich danke
meiner Frau für ihre Geduld.
Oberstaatsanwalt Sönke Sela und Staatsanwalt Bernd Kruse
für die kritische Lektüre.
Stefan Aust,
Stephan Burgdorff,
Uwe Jensen,
Karina Meiburg,
Ulrich Schwarz,
Andreas Simmen,
Thomas Willam,
Karl-Henning Windelbandt,
dem Spiegel,
meiner Gewerkschaft verdi
und einigen Unbenannten.
H . W.
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