Mord, der keiner sein durfte
damals Gedanken darüber, dass zum Beispiel die Erkundigungen Barschels nach dem Fortgang des Steuerverfahrens gegen Engholm keinesfalls bewiesen, dass er dieses Verfahren auch selbst hatte in Gang setzen lassen.
Sein Mann fürs Grobe hatte nämlich systematisch Spuren gelegt, die auf Barschels Mitwissenschaft hindeuteten. Gleichzeitig hatte er Verbindungen zu den Opfern seiner Aktion aufgenommen, der schleswigholsteinischen SPD. Die war über Pfeiffers Aktionen offenbar besser unterrichtet als der vermeintliche Auftraggeber Barschel. Es war auch die SPD, die Pfeiffer an den Spiegel vermittelte. Auch die eidesstattliche Versicherung, die Pfeiffer gegenüber dem Nachrichtenmagazin abgab, war von einem Anwalt, der zugleich ein wichtiger SPD-Politiker war, entgegengenommen worden.
Damit soll nicht gesagt werden, dass die SPD selbst hinter der Engholm-Bespitzelung stand. Eines ist allerdings sicher: Der Mann fürs Grobe in Barschels Staatskanzlei trug auf mehreren Schultern.
Barschel schien nach dem Flugzeugabsturz und in seiner Angst vor dem Verlust der Macht die Übersicht über das, was sich in seiner nächsten Umgebung abspielte, verloren zu haben. Als er nicht nur von den oppositionellen Medien angegriffen, sondern auch von seiner eigenen Partei fallen gelassen wurde, deutete er gegenüber seinen Parteifreunden an, im Untersuchungsausschuss sein gesamtes Wissen zu offenbaren. Da dürften an einigen Stellen die Alarmglocken geläutet haben. An welchen, ist bisher unbekannt.
Die Logik allerdings spricht dafür, dass es in gewissen Kreisen nicht gern gesehen worden wäre, wenn Uwe Barschel über die Geheimnisse der U-Boot-Blaupausen für Südafrika geplaudert hätte. Vielleicht wusste er einiges, vielleicht wenig, aber vielleicht hätte das wenige auch ausgereicht, um dem gleichzeitig laufenden Untersuchungsausschuss in Bonn neue Nahrung zu geben.
In dieser Situation trat ein Unbekannter auf den Plan, der unter dem Namen Roloff dem auf den Kanarischen Inseln weilenden Barschel Entlastungsmaterial anbot und ihn zu Verhandlungen darüber nach Genf bestellte. So jedenfalls steht es in den bei Barschel später gefundenen Notizen. Es ist darin etwa die Rede von Beziehungen Pfeiffers zur SPD.
Kurz nach Barschels Tod wurden diese angeblichen Entlastungsmatierialien als plumpe Erfindung des scheinbar der Anstiftung überführten Ministerpräsidenten betrachtet. Erst beim zweiten Untersuchungsausschuss zur »Schubladen-Affäre«, lange nach Barschels Tod, wurde klar, dass seine handgeschriebenen Notizen durchaus in das Raster der neuen Erkenntnisse passten.
Insofern ist es durchaus denkbar, dass der ins Bodenlose gestürzte Politiker nach jedem Strohhalm griff, um nachzuweisen, dass er Opfer eines politischen Komplotts war. Bekanntlich gelang ihm das nicht, weil sein Entlastungszeuge entweder nicht kam oder ihn nur nach Genf lockte, damit ihm dort andere auf den Zahn fühlen konnten – was bekanntlich für Uwe Barschel tödlich endete.
Eine solche Version der Ereignisse im Hotel »Beau Rivage« ist sicher nicht unwahrscheinlicher als die offizielle Selbstmordtheorie. Insofern ist es ein großes Verdienst, dass der im Todesfall Barschel ermittelnde Staatsanwalt Heinrich Wille seine eigenen Erlebnisse um diese größte Politaffäre in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Buchform publiziert. Er hat seine eigene Geschichte mit diesem Fall – eine Geschichte von Ermittlungen, aber auch der Behinderung von Ermittlungen –, die perfekt in das Raster einer multiplen Vertuschungsaktion passt. Aus den verschiedensten Gründen waren die verschiedensten Kreise offenbar daran interessiert, die Wahrheit nicht ans Tageslicht kommen zu lassen.
Aber alle Ermittlungsergebnisse und alle Obduktionsbefunde deuten darauf hin, dass Barschel nicht allein war, als er die tödlichen Medikamente zu sich nahm, und dass er nicht freiwillig in die Badewanne stieg, um dort zu sterben. Seine Enthüllungsdrohungen dürften für gewisse Gruppierungen ein Motiv gewesen sein.
Vielleicht haben die schleswig-holsteinische Bespitzelungsaffäre und der Tod im »Beau Rivage« nur sehr indirekt etwas miteinander zu tun – dass der so tief gefallene Politiker plötzlich zu einer Gefahr geworden war, und zwar für ganz andere als die SPD im Norden. Zum Beispiel für ein Apartheidregime im Süden Afrikas, das mit einer Werft ganz oben im Norden Deutschlands illegale Geschäfte machte. Aber das ist natürlich auch nur eine Spekulation, wenn auch
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