Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
antwortete Tom. »Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen konnte. Wenn Sie mögen, können Sie mir einen Drink spendieren. Haben Sie heute Abend Zeit? Wir könnten aufs Land fahren und ein anständiges Lokal suchen, irgendein Pub, wo es Steak und Salat gibt. Ich habe große Lust auf ein Steak.«
»Das wäre prima«, sagte Jess.
»Dann hole ich Sie heute Abend, sagen wir um halb acht, in Ihrer Wohnung ab?«
»Das wäre perfekt. Wir sehen uns dann später.« Sie verabschiedete sich soeben von Tom, als Morton in der Tür erschien.
»Einer von uns muss zu dem alten Burschen von Balaclava House«, sagte Morton bedrückt. »Und ihm all die schmutzigen Neuigkeiten über seine Familie überbringen. Was wird er davon halten? Er hat bereits hören müssen, dass zwei seiner Verwandten Mörderinnen sind. Jetzt kommt noch die Affäre seines Vaters mit der Nachbarin hinzu - einer Nachbarin, die als Montys Schwiegermutter endete. Außerdem gibt es einen Halbbruder und einen Neffen, von deren Existenz er nicht die leiseste Ahnung hatte. Der Neffe war der Tote in seinem Wohnzimmer. Was soll der arme alte Mann nur von alledem halten? Sein Kopf wird brummen. Heutzutage reden alle von dysfunktionalen Familien - was waren diese Bickerstaffes, wenn nicht dysfunktional? Es ist wie eine von diesen elenden Seifenopern. Man sollte die Geschichte verfilmen!«
»Es wird starker Tobak für Monty, keine Frage«, räumte Jess ein. »Und es ist eine richtige Tragödie, von welcher Seite man es auch betrachtet.«
Morton schüttelte den Kopf und sah Jess verzweifelt an. »Ich muss das nicht machen, oder? Hinfahren und ihm alles erzählen? Nicht nur, dass mir dieses Haus geradezu unheimlich ist - ich kann nicht die Kummerkastentante spielen. Abgesehen davon habe ich Berge von Arbeit auf dem Schreibtisch.«
»Ich übernehme das«, sagte Jess entschlossen, und Morton blickte erleichtert drein. »Ich bin zwar auch keine Kummerkastentante, aber ich bin ebenfalls der Meinung, dass er es so schnell wie möglich erfahren sollte. Wie Sie ganz richtig sagen, er weiß, dass Tansy unter Arrest steht und Bridget ebenfalls, auch wenn sie noch im Krankenhaus liegt. Er wird konsterniert sein und sich fragen, was um alles in der Welt passiert ist. Wir müssen ihm genau erzählen, warum es zu dem Mord gekommen ist und welche Motive dahintergesteckt haben. Ich fahre gleich heute Morgen zu ihm und rede mit ihm. Ich frage den Superintendent, ob er mit mir kommen will.«
»Gute Idee«, pflichtete Morton ihr bei und entfernte sich, bevor Jess ihre Meinung ändern konnte.
»Nein, ich denke nicht, Jess«, sagte Carter, als sie ihm ihren Vorschlag unterbreitete. »Der alte Bursche mag Sie, und ich denke, Sie machen das besser, wenn ich nicht dabei bin. Abgesehen davon habe ich einen ganzen Berg voller Papierkram zu erledigen. Der Staatsanwalt wartet bereits darauf. Ich habe nicht die Zeit.«
»Männer!«, murmelte Jess zu sich selbst, als sie nach Balaclava House davonfuhr. »Sobald es irgendetwas mit Gefühlen zu tun hat, mit Liebe und mit Babys, haben sie plötzlich alle keine Zeit!«
Es war ein schöner, sonniger Tag, wenn auch ein wenig kühl. Als sie an Pascals Tankstelle vorbeikam, sah sie Sebastian bei der Zapfsäule stehen und mit einem dünnen jungen Mann in einem Overall reden. Alfies Nachfolger, vermutete sie. Zumindest hatte Pascal seine Angst abgelegt und war wieder in seinem Geschäft, auch wenn Pete Sneddon auf Kaution freigelassen worden war und jetzt auf seine Gerichtsverhandlung wartete. Pete besaß kein Gewehr mehr, und seine Lizenz war eingezogen worden, doch es gab mehr als genug Gegenstände auf einer Farm, die sich vorzüglich als Waffe missbrauchen ließen. Andererseits gab es eine richterliche Anordnung, der zufolge sich Sneddon von Pascal und seiner Tankstelle fernzuhalten hatte. Er hatte versichert, sich daran zu halten, und er schien auch den Drang verloren zu haben, sich an Pascal zu rächen. Die Polizei war sicher, dass es keine Wiederholung des vorangegangenen Dramas geben würde. Jess hoffte, dass sie die Lage richtig eingeschätzt hatten. Sneddon war auf seiner Farm beschäftigt, und Rosie schlug sich irgendwie durch. Eine ihrer verheirateten Töchter war für eine Weile auf den Hof gekommen, um zu helfen und den Vater im Auge zu behalten.
Als Jess vor Balaclava House ankam, sah sie, dass Monty Besuch hatte. Vor dem rostigen Tor parkte ein gelber Renault Megane Kombi. Jess stellte ihren Wagen dahinter ab, schob sich durch das Tor und
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