Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Elizabeth Henderson eingetragen, wohnhaft in Sneddon Farm Cottage. In der Spalte ›Vater‹ stand lediglich ein Wort, ›unbekannt‹. Lionel war also ein uneheliches Kind gewesen. Doch die Person, die die Geburt des Kindes angezeigt hatte, die also zur Meldestelle gegangen war, hieß Edward Bickerstaffe, wohnhaft in Balaclava House.
Jay spürte, dass er etwas gefunden hatte, doch er wusste auch, dass noch eine ganze Menge mehr nötig war, um das Puzzle zusammenzusetzen. Er versuchte Elizabeth Henderson ausfindig zu machen, doch sie war schon lange tot, leider, und Informationen über sie gab es kaum. Also beschäftigte er sich mit der Familie von Elizabeths im Krieg gefallenen Mannes. Es war ein Schuss ins Blaue, doch er erwies sich als Volltreffer. Jay fand eine Mrs. Edmonton, geborene Henderson, eine weit jüngere Cousine von Elizabeths Mann - und sie war noch am Leben. Jay fuhr sie besuchen. Sie war schon sehr alt, furchtbar vornehm und sehr frostig. Er erklärte, wer er war und warum er nach Informationen suchte: Elizabeth Henderson war seine Großmutter. Zuerst wollte Mrs. Edmonton alles abstreiten. Sie sagte, es wäre alles so lange her und sie könnte sich nicht erinnern. Schließlich räumte sie ein, dass sie nichts davon wüsste, dass Elizabeth außer Penny noch ein anderes Baby gehabt hätte. Wobei Penny ganz ohne jede Frage ein eheliches Kind war. Jay fragte sich, ob sie das gesagt hatte, um ihn loszuwerden, weil ein Skandal ohne Zweifel sämtliche Hendersons berührt hätte. Wie dem auch sei, er fürchtete, in einer Sackgasse angelangt zu sein. Dann jedoch - völlig unerwartet und aus heiterem Himmel - rief Mrs. Edmonton ein paar Tage später noch einmal bei ihm an. Sie hatte ein paar schlaflose Nächte wegen seinem Besuch verbracht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass er ein Recht darauf hatte, die Wahrheit zu erfahren. Sie lud ihn ein, sie noch einmal zu besuchen, und Jay zögerte keine Sekunde.
Sie gestand ihm zu wissen, dass Elizabeth ein paar Jahre nach ihrer Verwitwung noch einmal ein Baby bekommen hatte. Alle Freunde, selbst die Familie ihres verstorbenen Mannes, hatten sich verschworen, Elizabeth zu »schützen« und zu verhindern, dass die Nachricht publik wurde. Mrs. Edmonton war eine von jenen Frauen, die alles darüber gewusst hatten, und sie hatte Stillschweigen bewahrt, wie die anderen. ›Nicht nur um ihretwillen‹, sagte sie, ›sondern auch wegen der armen Penny. Pennys Kindheit wäre zu einer Qual geworden. Sie hätte all ihre Freundinnen verloren.‹ Ein Fall von Sünden der Väter, beziehungsweise der Mütter, wenn Sie verstehen. Was für eine elende Bande. Als hätte die kleine Penny in irgendeiner Weise Schuld an allem!
Mrs. Edmonton erzählte Jay, dass sie lediglich mit Bestimmtheit wüsste, dass der Vater von Elizabeths Baby ein verheirateter Mann gewesen wäre. Ein Nachbar, mit dem Elizabeth eine langjährige Affäre unterhalten hatte, ein ›unglückseliges Techtelmechtels wie sie es nannte. Gerüchten zufolge war der Nachbar jemand aus der Familie der Bickerstaffes, doch das wusste die alte Dame nicht mit Bestimmtheit. Sie beharrte darauf, dass Elizabeth und ihr Liebhaber geheiratet hätten, wäre er frei gewesen. ›Ich möchte nicht, dass Sie eine falsche Vorstellung von Ihrer Großmutter bekommen‹, sagte sie zu Jay. ›Sie war eine durch und durch anständige, jedoch unglückliche junge Frau. Ihr Mann war im Krieg gestorben, und sie war ganz allein und verletzlich. Sie war kein Flittchen.‹
Jay gefiel dieses Wort. ›Flittchen.‹ Er sagte, er müsste an Mädchen in Schwarzmarkt-Nylons denken, die in verrauchten Kellern Jitterbug tanzten. Er hätte gerne so eine Großmutter gehabt, doch die alte Dame war geradezu ängstlich darauf bedacht, ihm nicht diesen Eindruck von Elizabeth zu vermitteln. Wie dem auch sei, und wie auch immer die Wahrheit lauten mag, Elizabeth stellte eines Tages fest, dass sie schwanger war, und sie war sicher nicht erfreut darüber. Auch Edward muss die ein oder andere schlaflose Nacht gehabt haben.«
Tansy machte ein finsteres Gesicht. »Alles wurde sehr effizient gelöst. Elizabeth wurde in ein sehr privates Pflegeheim geschickt, das sich auf unverheiratete Mütter spezialisiert hatte, und brachte dort einen Jungen zur Welt. Sie nannte ihn Lionel. Die Taylors, die keine Kinder hatten, adoptierten das Baby. Das Heim betrieb nebenbei eine lukrative Adoptionsvermittlung. Es war alles sehr formlos, wie damals üblich. Lionel wurde im Alter
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