Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Meinung nach war es so gut wie unmöglich, ihn durch das da zu tragen.« Jess deutete auf das Gittertor. »Es wurde seit Jahren nicht mehr bewegt und ist wahrscheinlich in dieser Position festgerostet. Ein oder zwei Personen, behindert durch eine Leiche oder einen sterbenden Mann, hätten das nicht fertiggebracht. Es muss also einen anderen Weg ins Haus geben. Sie sind so gut wie sicher durch das Gestrüpp gekommen. Und ich bezweifle, dass einer allein den Toten so weit hätte tragen können. Ich vermute, wir haben hier den eigentlichen Tatort und wir suchen entweder nach zwei Mördern oder einem Mörder und seinem Komplizen.«
Morton öffnete den Mund zu einer Antwort, doch bevor er dazu kam, näherte sich ein kleiner blauer zweisitziger Roadster holpernd über die unebene Fahrbahn von Toby's Gutter Lane. Der Constable am Tor trat vor und winkte den Wagen an den Fahrbahnrand. Die Fahrerin war bereits von sich aus langsamer geworden. Nun hielt sie endgültig an. »Wer hat hier das Kommando? Ich bin Mrs. Harwell.«
Jess hatte nicht erwartet, dass Mrs. Harwell in einem Sportwagen auftauchen würde. Es wirkte in ihren Augen zu unbekümmert für den Anlass. Der Constable beugte sich über den Wagen, um der Fahrerin zu erklären (jedenfalls nahm Jess dies an), dass sie nicht auf dem Grundstück parken durfte, weil weitere Reifenspuren den Tatort noch mehr kontaminieren würden. Abgesehen davon ließ sich das Tor ohnehin nicht öffnen. Die Fahrerin stieg aus und näherte sich energischen Schrittes.
»Sie dürfen da nicht rein, auch nicht zu Fuß!«, rief der Constable ihr hinterher. »Sie dürfen das Grundstück nicht betreten, haben Sie das verstanden?«
»Schon gut, schon gut! Sie haben sich klar und deutlich ausgedrückt, und ich habe Sie verstanden«, erwiderte Bridget Harwell und winkte ab.
Jess blickte zu Monty im Fond des Streifenwagens und sah ihn wild gestikulieren. Sein Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass er wütend war. Seine Nichte hatte ihn noch nicht bemerkt. Jess eilte zum Tor und schlüpfte durch den schmalen Spalt, um Bridget Harwell zu begrüßen. Sie war gegen ihren Willen neugierig auf Montys »Nichte«.
»Mein Name ist Harwell, Bridget Harwell«, stellte sie sich auch prompt noch einmal vor. Ihre Wortwahl war höflich, doch ihre Augen musterten Jess abschätzend, während Jess sie gleichfalls musterte. »Wo ist mein Onkel?«, verlangte sie barsch zu erfahren. »Ist er wohlauf?«
Sie hatte eine nervöse, spröde Art zu sprechen, und Jess konnte nicht sagen, ob es an den außergewöhnlichen Umständen lag oder lediglich eine schlechte Angewohnheit war. Bridget Harwell war schätzungsweise Mitte vierzig, von schlanker Statur mit dichtem, aschblondem, kurz geschnittenem Haar. Im Vergleich zu ihr fühlte sich Jess linkisch und unweiblich. Sie riss sich zusammen und sagte sich, dass sie in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin hier war und dass dies nicht der geeignete Moment war darüber zu sinnieren, dass sie sich weder die Designerjeans noch den kirschroten Pullover leisten konnte, der nicht nur nach Kaschmir aussah, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach genau daraus bestand.
»Mein Name ist Inspector Campbell!« Die Worte erinnerten sowohl Jess selbst als auch die Nichte von Monty daran, dass Jess hier das Kommando hatte. »Ihr Onkel ist dort drüben im Streifenwagen.« Sie ging zum betreffenden Fahrzeug und öffnete die hintere Tür. »Kommen Sie, Monty, Sie können jetzt aussteigen. Ihre Nichte ist hier, um Sie abzuholen.«
»Danke sehr, aber ich fühle mich pudelwohl hier in diesem Wagen«, erwiderte Monty mit vor der Brust verschränkten Armen.
Bridget Harwell trat vor den Streifenwagen und übernahm mühelos die Kontrolle. »Hör sofort auf, Onkel Monty! Sei zur Abwechslung mal vernünftig, hörst du? Wie fühlst du dich?«
»Wie ich mich fühle?« Monty starrte sie für einen Moment sprachlos an. »Ich fühle mich verdammt wütend, wenn du es wirklich wissen willst! Irgendein Mistkerl hat eine Leiche in meinem Haus abgeladen. Es wimmelt überall vor Polizei! Und dann tauchst du noch auf, um mich zu kidnappen, und fragst mich, wie es mir geht?«
Bridget Harwell drehte sich zu Jess um. »Er scheint es gut verdaut zu haben«, stellte sie erleichtert fest. »Jedenfalls ist er wie immer.«
Jess konnte die Verärgerung spüren, die sich unter Bridget Harwells nüchterner Art verbarg. Sie hatte sich gut unter Kontrolle.
Rasch fuhr Bridget fort: »Er ist ein übellauniger alter Kauz, wissen
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