Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Sämtliche Holzflächen glänzten. Auf dem Bett gab es kein Staublaken; stattdessen war die Matratze mit einem synthetischen Material in grellem Pink abgedeckt, das schrill mit den antiken Möbeln und der restlichen Ausstattung kontrastierte.
Noch etwas war anders, etwas, das nicht sichtbar war, sondern mehr zu erahnen. Jess spürte es überdeutlich. Menschliche Präsenz. Sie schnüffelte. Die Luft roch frischer als irgendwo sonst im oberen Stockwerk.
»Dieses Zimmer wurde benutzt«, sagte Jess langsam. »Es wurde gelüftet. Diese Decke hat bestimmt kein Bickerstaffe auf die Matratze gezogen. Außerdem sagt Monty Bickerstaffe, dass er das Obergeschoss nicht mehr betritt, wegen seiner Knie. Also, wer war hier oben, und was hat er hier gemacht und wann?«
»Und weiß der alte Bickerstaffe davon?«, fügte Morton hinzu. Er wanderte durch den Raum und spähte in sämtliche Ecken.
»Ich würde sagen, er hat nicht die geringste Ahnung. Wir müssen vorsichtig sein, wie wir unsere Fragen an ihn formulieren. Überlegen Sie nur, Phil. Hier steht ein riesiges, leeres, heruntergekommenes Haus mit einem einzigen Bewohner, der niemals nach oben geht und gewohnheitsmäßig nicht abschließt. Einheimische Junkies, Landstreicher, Schulkinder, Wanderer - jeder, der sich auch nur halbwegs in der Gegend auskennt, könnte darüber Bescheid wissen. Das ideale Versteck für jemanden, der untertauchen will. Monty würde es nie herausfinden. Es erscheint mir mehr und mehr wahrscheinlich, dass jemand den Toten hier im Haus zurückgelassen hat. Wir brauchen die Spurensicherung. Wir müssen nach Fingerabdrücken suchen lassen.«
»Keine Drogenutensilien«, bemerkte Morton, als er seine Tour beendet hatte. »Keine leeren Bierdosen, keine Essensverpackungen, keine anderen Abfälle, nichts von dem, was man erwarten würde.«
»Jemand hat aufgeräumt. Nehmen wir einmal für einen Moment an, dass, wer auch immer den Toten unten auf dem Sofa zurückgelassen hat, Bescheid wusste über dieses Zimmer«, mutmaßte Jess. »Er ist nach oben gekommen und hat saubergemacht. Aber wer auch immer es war, er hatte nicht viel Zeit. Rufen Sie im Hauptquartier an und lassen Sie ein forensisches Team herkommen. Ich will, dass sie alles untersuchen, noch bevor der Tote fortgeschafft wird.«
Morton scharrte unglücklich mit den Füßen. »Sind Sie sicher?«
»Es ist meine Entscheidung!«, sagte Jess scharf. »Ich werde sie zu gegebener Zeit rechtfertigen.«
Morton errötete und blickte störrisch drein, doch er sah ein, dass Widerspruch sinnlos war. »Nun denn«, sagte er. »Mit ein wenig Glück findet die Spurensicherung hier oben den ein oder anderen Fingerabdruck. Und wenn wir richtiges Glück haben, vielleicht sogar eine DNS-Spur auf der Decke. Ganz sicher sogar, wenn sie für das benutzt wurde, was ich denke.«
Sie gingen nach unten und zur Haustür hinaus. Einer der beiden jungen Constables eilte herbei.
»Inspector Campbell, das hier sollten Sie sich vielleicht ansehen, Ma'am!« Seine Stimme klang ganz aufgeregt. Sie folgte ihm zu einem verwilderten Busch.
Auf dem Weg davor war eine lange Furche im Kies zu erkennen.
»Die ist frisch«, bemerkte Morton.
Ein kleines Stück weiter endete eine zweite Furche direkt vor dem Busch.
Der Constable deutete mit ausgestreckter Hand auf die wuchernde Wildnis. »Hier sind abgebrochene Zweige und niedergetrampeltes Gras, Ma'am. Es ist ein richtiger Pfad. Ich wollte nicht darauf herumtrampeln, aber er scheint zu einer Lücke in der Umfassungsmauer zu führen, an der Straßenseite.«
»Gute Arbeit!«, rief Jess. »Wir brauchen die Spurensicherung auch hier.«
»Keine Kosten und Mühen zu hoch ...«, murmelte Morton verdrießlich.
»Ich kenne mich selbst sehr gut mit Budgets aus, danke sehr, Phil. Sie sind wie Fesseln für jeden richtigen Ermittler. Trotzdem denke ich nicht, dass Superintendent Carter sich querstellen wird. Abgesehen von einer nicht identifizierten Leiche, wo keine sein dürfte, wimmelt es auf dem gesamten Grundstück nur so vor den unerklärlichsten Merkwürdigkeiten.«
Morton nickte zögernd. »Sie haben recht.«
Sie kehrten zum Haupttor zurück. »Was denken Sie?«, fragte Morton. »Halten Sie es für möglich, dass jemand unseren Kameraden auf diesem Weg hereingebracht hat? Nicht durch das Tor, sondern durch die Mauerlücke? Er könnte ihn durch das Gestrüpp geschleift haben, über den Kiesweg und zur Vordertür. Die Spuren stammen von den Hacken unseres Toten.«
»Nun ja, meiner
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