Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
was ich sagen kann, ist, dass wir bisher noch kein Testament gefunden haben.«
»Dann gehört es mir. Es gibt niemanden außer mir. Ich nehme an, es ist nicht viel«, sagte sie unzufrieden. Dann hellte sich ihre Miene auf. »Es gibt eine Wohnung in Cheltenham, sagen Sie?«
»Nur gemietet, leider. Der Wirt kann es kaum abwarten, dass sie geräumt wird, damit er renovieren und neu vermieten kann.«
»Hah!«, rief Miss Bryant aus. »Typisch Gerald! Keine Vorsorge für die Zukunft!«
Oder für Miss Bryants Zukunft, da seine ja zu Ende war.
»Ich schätze, man erwartet, dass ich für die Beerdigung aufkomme ... aus dem, was von seinem Besitz übrig ist«, sagte sie übellaunig, als Jess ging. »Und diese Wohnung muss ich wahrscheinlich auch räumen. Es ist typisch Gerald! Wie der Vater, so der Sohn. Taugenichtse!«
Der Dackel stieß ein bestätigendes Knurren aus.
Jess fuhr mit einem Gefühl der Erleichterung davon.
Wenigstens war Miss Bryant später imstande, den Toten eindeutig zu identifizieren. Sie tat es völlig nüchtern und zeigte genauso wenig Emotionen wie schon zuvor. Jess war geradezu erleichtert, als sie endlich in ein Taxi stieg und davonfuhr. »Was für eine grässliche Person«, sagte sie wenig taktvoll.
Phil Morton sah die Sache völlig anders. »Sehen Sie es so: Gut, dass eine Angehörige den Toten identifiziert hat, bevor die Verhandlung zur Feststellung der Todesursache eröffnet wird. Der Coroner wäre alles andere als begeistert, wenn Billy Hemmings der Einzige gewesen wäre, der Taylors Identität bestätigt hätte.«
Die Verhandlung am nächsten Tag beschränkte sich im Wesentlichen auf die Feststellung der Person des Toten sowie die Umstände, unter denen der Leichnam aufgefunden worden war. Es waren nur wenige Personen im Saal, auch wenn Mr. Hopkins, Taylors Vermieter, den Weg zum Gericht gefunden hatte. Er saß in der ersten Reihe, die Arme vor der Brust verschränkt, und starrte den Coroner streitlustig an. In der letzten Reihe saß ein Mann in einem alten Anorak, einen Notizblock in der Hand. Vermutlich hatte die örtliche Presse einen Reporter vorbeigeschickt für den Fall, dass sich eine Story ergab - auch wenn sie jetzt, im Verlauf der ersten amtlichen Untersuchung, sicher noch nicht ans Tageslicht kommen würde. Vielleicht war der Reporter auch freiberuflich tätig und auf der Suche nach einem Glückstreffer. Das Ehepaar Hemmings bot ein beeindruckendes Bild. Billy hatte sich in einen zu engen Anzug gequetscht. Terri war vollständig in Schwarz gekleidet: ein eklektisches Ensemble aus kurzer Kunstpelzjacke, zu kurzem Rock, schwarzen Nylons und modischen Stöckelschuhen mit extrem hohen Absätzen.
Monty hatte sich ebenfalls überreden lassen, zur Verhandlung zu erscheinen und sein Erlebnis zu schildern. Er tat dies in wenigen Worten:
»Ich kam rein, und da lag der Kerl. Keine Ahnung, wer er war. Sie haben mir zwar gesagt, wie er heißt, aber ich kenne ihn trotzdem nicht.«
»Es muss ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein, Mr. Bickerstaffe«, sagte der Coroner mitfühlend.
»Das können Sie laut sagen!«, erwiderte Monty aufgebracht. »Das ist es immer noch! Wann kann ich wieder nach Hause?«
Der Coroner antwortete, dass die Entscheidung darüber mehr oder weniger bei der zuständigen Polizeibehörde läge. Das Haus wäre immer noch als Tatort klassifiziert. Anschließend vertagte er das Verfahren auf ein späteres Datum, damit die Polizei Gelegenheit erhielt, ihre Ermittlungen abzuschließen. Der Mann im Anorak erhob sich und ging. Er hatte nicht viel in sein Notizbuch geschrieben.
Die Hemmings wurden erst gar nicht in den Zeugenstand gerufen. Billy saß die ganze Zeit über mit verschränkten Armen da und schien es zufrieden, dass er keine offiziellen Aussagen machen musste. Terri hingegen wirkte geradezu enttäuscht. Sie näherte sich Jess, nachdem alle den Gerichtssaal verlassen hatten.
»Wenn man überlegt, wie viele von diesen Prominenten Jay gekannt hat, dann sollte man wirklich meinen, dass die Lokalzeitung wenigstens einen Photographen vorbeischickt.«
Jess überlegte, dass es wahrscheinlich am besten war, wenn sie den Mann im Anorak und mit dem Notizbuch nicht erwähnte. Terri hätte sich vermutlich noch mehr aufgeregt, hätte sie erfahren, dass die Presse vor Ort gewesen war und weder sie noch Billy interviewt hatte.
»Wahrscheinlich weiß die Zeitung, dass es nur eine vorläufige Anhörung war, eine reine Formalität, mehr nicht«, erklärte Jess. »Die
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