Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
grauhaarige Frau ihre Besucherin freundlich. »Kommen Sie doch herein, kommen Sie nur. Sie werden ja ganz nass da draußen im Regen! Kein schöner Tag heute, fürchte ich.«
Im Innern war es gemütlich warm und trocken. Jess wurde ins Wohnzimmer geführt und in einem bequemen Sessel platziert, wo man sie anschließend mit Keksen und Tee beköstigte. Auf dem Fenstersims lag ein schwarzer Kater, doch nachdem er kurz den Kopf gehoben und die Besucherin fragend angesehen hatte, rollte er sich wieder zusammen und schlief unbeeindruckt weiter.
»Er war die ganze Nacht draußen«, sagte Monica Farrell mit einem Nicken in Richtung ihres Hausgenossen. »Er geht drüben im Kirchhof auf Mäusejagd, müssen Sie wissen. Manchmal bringt er seine Trophäen mit nach Hause, und nicht immer sind sie bereits tot. Dann muss ich sie einfangen und freilassen, wo er sie gefangen hat.«
»Wie ich sehe, hat die Kirchengemeinde einen Spendenaufruf gestartet, für ein neues Dach«, erwiderte Jess.
Monica Farrell schnitt eine Grimasse. »Es kostet eine unglaubliche Summe! Ich bezweifle, dass so viele Spendengelder zusammenkommen. Die Diözese will uns zwar ein wenig helfen, und auch die verschiedenen anderen Fonds für historische Gebäude haben sich angeboten, doch es fehlen gewaltige Summen. Die Gemeinde kann die Summe unmöglich aufbringen. Wir sind nur noch ungefähr ein Dutzend oder so, an den besten Tagen.«
»Haben Sie einen eigenen Vikar?«
»Gütiger Himmel, nein!«, rief Monica kichernd. »Wir haben einen Vikar aus einer der Nachbargemeinden, der beinahe immer bereit ist zu kommen und sich um unser Seelenwohl zu kümmern. Eine Schande, wirklich, weil es doch eine so interessante alte Kirche ist. Wir haben sie die meiste Zeit über abgesperrt, aber ich habe einen Schlüssel. Ich bin Kirchendienerin. Falls es Sie interessiert, können wir das kleine Stück gehen, und ich zeige Ihnen alles.«
»Sehr gerne«, antwortete Jess. Es war Zeit, das Thema anzuschneiden, dessentwegen sie hergekommen war. »Sie wissen, dass wir in einer Mordsache ermitteln und dass das Opfer in Balaclava House gefunden wurde?«
»Oh, Ian hat mir alles darüber erzählt«, sagte Monica Farrell. »Er hat mir auch verraten, dass Sie die Ermittlungen leiten und dass er volles Vertrauen in Sie hat, die Wahrheit herauszufinden und den Schuldigen dingfest zu machen.«
»Das hat er gesagt?«, fragte Jess verblüfft.
»Mehr oder weniger wörtlich, ja. Noch etwas Tee?«
»Im Moment nicht, nein danke. Sie haben Superintendent Carter viel über Monty Bickerstaffe erzählt, den betagten Herrn, der in Balaclava House wohnt.«
»Ja, der arme alte Monty. Er tut mir wirklich leid, auch wenn ich um der Wahrheit willen gestehen muss, dass er schon immer ein störrischer Mistkerl war. Er ist mehr oder weniger ganz alleine für all seinen Ärger und seine Scherereien verantwortlich. Es war eine richtige Schande, wissen Sie, dass ein großer Konzern das Geschäft der Familie gekauft hat. Es verschaffte ihnen zwar damals genügend Geld, um über die Runden zu kommen, doch es verhinderte, dass Monty sich anstrengte, um einen anständigen Beruf zu erlernen. Wenn er nur genug verdient hätte, um sich um seine Mutter zu kümmern oder später seine Frau. Es wäre für ihn viel besser gewesen, wenn Bickerstaffe's in die Insolvenz gegangen wäre. Monty hätte sich zusammenreißen und dem wirklichen Leben stellen und einen Bürojob annehmen müssen. Ich war schon immer der Meinung, dass Monty Probleme mit der Realität hatte. Er schien in Gedanken ständig irgendwo anders. Ich kannte seine verstorbene Frau sehr gut. Ich weiß überhaupt nicht, wie sie es so lange mit ihm aushalten konnte. Ich hätte das nicht geschafft!«
Sie musterte Jess. »Es ist wirklich eigenartig, aber Sie sehen aus wie Penny, wissen Sie das? Als sie noch jünger war, meine ich.«
»Das habe ich schon häufiger gehört«, gestand Jess. »Sagen Sie mir, würden Sie Monty Bickerstaffe als einen unaufrichtigen Menschen beschreiben?«
»Er war gut darin, seine Schnapsflaschen vor Penny zu verstecken«, sagte Monica Farrell. »Er pflegte sich nach draußen zu schleichen und sie im Garten zu vergraben. Penny grub sie immer wieder aus.«
»Oh«, sagte Jess. »Aber das meinte ich eigentlich nicht. Was mich interessiert ist die Frage, wie Monty es mit Fakten hält? Sie sagen, er hätte schon immer Probleme mit der Realität gehabt? Er besteht darauf, dass er den Toten noch nie zuvor gesehen hat. Könnte es sein,
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