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Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)

Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)

Titel: Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Plisseerock und einer weißen Bluse unter einem beigefarbenen Gilet. Sie saß kerzengerade in einem mit Chintz bezogenen Lehnsessel, musterte Jess missbilligend und verkündete sodann: »Natürlich ist es eine Schande, dass mein Neffe gestorben ist. Aber es überrascht mich nicht weiter, dass die Polizei darin verwickelt ist. Er war schon als Kind verschlossen ... pah!«
    Der ältliche, übergewichtige Dackel, mit dem Miss Bryant ihr Heim teilte, blickte drein, als wäre er ganz genau der gleichen Meinung wie sein Frauchen. Er lag zusammengerollt in seinem Körbchen und behielt Jess sorgfältig im unheilvoll dreinblickenden Auge. Von Zeit zu Zeit zuckte sein Maul, und es sah aus wie ein höhnisches Grinsen.
    Miss Bryant war trotz aller Missbilligung mehr als bereit zu reden, doch sie hatte - vom polizeilichen Standpunkt aus betrachtet - herzlich wenig zu berichten, schon gar nicht über die jüngsten Regungen ihres verstorbenen Neffen. Sie hatte ihn vor zehn oder zwölf Monaten zum letzten Mal gesehen, als er »aus dem Blauen heraus« aufgetaucht war, ohne jede Rücksicht, wie üblich. »Er saß dort, wo Sie jetzt sitzen, im gleichen Sessel, und fing an, auf eine rührselige Weise in Erinnerungen an seine Mutter, seinen Vater und seine Kindheit ganz allgemein zu schwelgen. Ich hielt es für durchaus möglich, dass er getrunken hatte.«
    Miss Bryant beugte sich vor. »Er hat sich ein Photoalbum von mir ausgeliehen. Er sagte, er hätte keine Bilder von sich als kleinem Jungen, und er wollte einige Abzüge kopieren. Er hat es nicht zurückgebracht. Wenn es unter seinem Nachlass ist, will ich es auf der Stelle wiederhaben!«
    »Ich glaube, es war ein Album dabei«, sagte Jess. »Ich kümmere mich darum.«
    Abgesehen von diesem Besuch hatte Miss Bryant die übliche Weihnachtskarte erhalten sowie - mehr als sporadisch - den ein oder anderen kurzen Anruf. »Gerald«, wie sie ihn beharrlich nannte, war ein heller kleiner Junge gewesen und ein wirklich guter Schüler. Doch dann hatten sich die Dinge zum Schlechten hin entwickelt, ihrer Meinung nach. Sie beschrieb seinen Lebensstil als »ausgelassen« und bestätigte, dass er nie verheiratet gewesen war.
    »Eine Frau hätte das nicht lange mitgemacht!«, sagte sie grimmig.
    Sie hatte keine seiner Freundinnen gekannt.
    »Alles völlige Vergeudung!«, schimpfte sie. »Deirdre wäre wirklich enttäuscht gewesen!« Der Grimm war immer noch in ihrer Stimme, gepaart mit einem selbstzufriedenen Unterton. Das Schicksal hatte gezeigt, dass Mrs. Bryant recht behalten hatte.
    »Deirdre?«, hakte Jess nach.
    »Meine verstorbene Schwester. Geralds Mutter.«
    »Ich verstehe. Was ist mit seinem Vater?« Soweit sich Jess erinnern konnte, hatte es keine männliche Konstante in den Familienalben gegeben, die sie in Taylors Wohnung gefunden hatten.
    Bei dieser Frage blitzten Miss Bryants Augen zornig auf. »Lionel? Er hat sich davongemacht, als das Baby noch in der Wiege lag. Ich muss gestehen, ich war nicht weiter überrascht. Er war ein Leichtfuß. Ich nehme an, Gerald ist nach ihm geschlagen. Ich hatte Deirdre schon vor der Hochzeit vor ihm gewarnt, doch sie wollte nicht auf mich hören. Lionel war, was man früher einen Schwerenöter nannte. Deirdre hat nie wieder etwas von ihm gehört; sie wusste nicht einmal, wo sie anfangen sollte, nach ihm zu suchen. Er hatte seine Arbeit gekündigt. Er hatte keine Familie, mit der sie in Verbindung treten konnte. Er war von Leuten namens Taylor aufgezogen worden - von ihnen hatte er auch seinen Nachnamen. Sie hatten ihn adoptiert und waren beide bereits tot, als Deirdre Lionel kennenlernte. Er hatte keine anderen Verwandten, oder jedenfalls hat er ihr das gesagt. Bei der Hochzeit war jedenfalls niemand zugegen. Es war eine standesamtliche Geschichte mit sechs anwesenden Personen, alle von Deirdres Seite. Seine ganze Geschichte war möglicherweise von vorne bis hinten gefälscht. Es würde mich nicht überraschen. So, da haben Sie die Bescherung. Oder besser, die arme Deirdre hatte sie. Ein Kind am Hals und keinen Ernährer, der sie unterstützt hätte. Lionel Taylor war wie vom Erdboden verschwunden. Wahrscheinlich hatte er ein halbes Dutzend Frauen überall im Land.«
    Miss Bryant lehnte sich zurück und musterte Jess nachdenklich. »Ich nehme an, ich bin Geralds Erbin? Wenn ich die einzige Verwandte bin?«
    »Ich fürchte, ich kann keine juristischen Auskünfte erteilen, Miss Bryant. Ich würde an Ihrer Stelle einen Anwalt konsultieren. Das Einzige,

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