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Mord Im Garten Eden

Titel: Mord Im Garten Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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unterzubringen und umzusiedeln, die die Endlösung der Nazis überlebt hatten.
    Wenn er über den Krieg sprach, dann nicht oft und nicht sehr viel. Aber ich erinnere mich heute noch an das, was er erzählte. Ja, er deckte Geschichten über menschliche Gräueltaten auf, aber viel mehr faszinierte es ihn, wie Durchschnittsbürger es schafften, sich künstliche Erklärungen für diese Horrorszenarien zurechtzuzimmern, wie in polnischen Städten das Offensichtliche abgeleugnet wurde, obwohl dort der Gestank der Krematorien meilenweit zu riechen war. Dies prägte seine Anschauungen für sein ganzes weiteres Leben. Was nicht verwunderlich war.
    Nachdem er ehrenhaft aus der Armee entlassen wurde, tat mein Vater das, was die meisten frisch verheirateten Männer damals taten: Sie nahmen eine Stelle an, nicht weil diese besonders attraktiv war, sondern weil sie Geld brauchten. Obwohl Dad die Aufnahmeprüfungen für ein Jurastudium an unserem Wohnort bestanden hatte, beschloss er, lieber sofort Geld zu verdienen, statt drei Jahre ohne Einkommen in Kauf zu nehmen. Damit wurde mein Vater Oscar, der Mann vom Deli - und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters, des Metzgers Judah (Edward).
    Ich bin sicher, dass das Geld dabei eine große Rolle spielte. Aber nachdem ich meinen Vater bis zu seinem Tod bei seiner Arbeit beobachten konnte, glaube ich tatsächlich, dass er in seinem Beruf glücklich war. Es war eine elende Schinderei, bei der er nicht nur Hunderte Kilo Fleisch und Kisten mit Konserven schleppen musste, sondern im Winter in Kühlhäusern und Kühlräumen unbeheizter Läden auch jämmerlich frieren und zu unchristlichen Zeiten - von vor dem Morgengrauen bis nach Einbruch der Dunkelheit - durcharbeiten musste. Das Sonnenlicht kannte er nur als gleißende Strahlen, die durch die Fensterscheiben leuchteten. Aber das Geld, das er verdiente, hatte er mit dem Schweiß seiner eigenen Arbeit erkämpft, und mehr wollte Oscar Marder nicht.
    Als kleines Kind lag ich oft schon im Bett, wenn Dad nach Hause kam. Als älteres Kind erinnere ich mich daran, dass ich mit ihm zusammen Fernsehen schaute. Er redete nie viel, fragte mich höchstens, ob ich schon wüsste, wer der Schurke in der neuesten Folge von Straßen von San Francisco sei und so Sachen. Persönliche Gespräche fanden praktisch nicht statt, von einer Art Basiskommunikation zwischen Vater und kleiner Tochter abgesehen.
    Dad begann seine Geschäftstätigkeit mit der Anmietung von Verkaufsflächen in unabhängigen Lebensmittelmärkten. Normalerweise beschränkte er sich auf nur einen Laden. Ab und zu waren es auch zwei Standorte. An seinem Stand bot er frische Delikatessen einschließlich der ganzen traditionellen Fleischwaren, Käsesorten, Salate und natürlich auch Lox und eingelegte Heringe an. Außerdem übernahm er eine kleine Bäckerei, die seinen Deli mit den notwendigen Backwaren versorgte. An Brotsorten gab es weiches gelbes Eier-Challah, Caraway-Roggenbrot, pikante Zwiebelbrötchen, Kaiserbrötchen, Mohnstangen, unglaublich leckere Obst- und Käseteilchen aus Plunderteig, außerdem verschiedene Kuchen. Dads Stand bot alles, was ein Samstagspicknick oder einen Sonntagsbrunch mit Verwandten erst perfekt machte. Ich liebte diese Sachen, ich liebte alles, was damit zusammenhing. Denn ich liebte meinen Vater.
    Von dem Zeitpunkt an, als meine älteren Brüder ihren ersten zweistelligen Geburtstag feierten, arbeiteten sie an Wochenenden im Deli und griffen meinem Vater unter die Arme. Als ich selbst elf wurde, hatte noch immer niemand von mir verlangt, dass ich mithalf, und das verdross mich natürlich. Wenn Dad es schon nicht von mir verlangte, nun, dann verlangte ich es eben selbst von mir.
    Als ich verkündete, dass ich im Deli arbeiten wollte, sagte Dad: »Schön«, obwohl ich wusste, dass es ganz und gar nicht schön war. Aber davon ließ ich mich nicht abschrecken.
    Er wusste nicht recht, was er mit mir anfangen sollte. Ich war klein und dünn und entsprach nicht der Stellenbeschreibung. Mit der Arbeit war eine körperliche Komponente verbunden, die nach Muskelmasse verlangte. Und die ich nicht hatte. Die meisten qualifizierten Arbeiten erforderten einen versierten Umgang mit scharfen Gegenständen - Fleischmesser, Käsemesser, Messer zum Parieren und Aufschneiden von Lachs. Ich hatte kleine Hände und Finger - viel zu klein, um schon industrielle Werkzeuge handhaben zu können, die einen Finger genauso leicht abschnitten wie ein Corned Beef.
    Dann war da noch die

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