Mord Im Garten Eden
weiter. Ging immer weiter. Auf der anderen Straßenseite, ungefähr sechs Meter hinter meiner Mutter und meiner Tochter.
Hielt aber Schritt mit ihnen.
Ich stellte das Lenkrad meines Autos gerade und schaltete auf D. Das bewusste Auto war immer noch da... schlich weiter... langsam.
Und der Mann ging auch weiter. Immer noch auf der anderen Straßenseite, und immer noch hielt er Schritt mit meiner Mutter und dem Kind.
Das ist seltsam , dachte ich. Wenn ich jemanden aus dem Auto aussteigen lasse, geht diese Person normalerweise in ein Haus. Sie geht nicht eine oder zwei Straßen weiter.
Ich bin paranoid , folgerte ich. Aber immerhin war es meine Tochter, und es war meine Mutter. Ich fuhr die Straße hinunter und hielt mich bewusst hinter dem langsam fahrenden Auto. Und dann fuhr es davon.
Einfach so.
Mir ging es etwas besser.
Inzwischen spazierte der Mann auf der anderen Straßenseite scheinbar ziellos weiter und verhielt sich absolut unverdächtig. Ich winkte meiner Mutter zu, und sie winkte zurück. Dann fuhr ich weiter.
Aber etwas nagte in mir.
Ich fuhr um die Ecke, bog ein paar Mal rechts ab und fuhr einmal um den Block herum. Dann schloss ich wieder zu meiner Mutter auf, die fröhlich in der Sonne dahintrödelte. Wieder winkten wir einander zu, obwohl sie diesmal offenbar verdutzt war, als wollte sie fragen: Was machst du denn schon wieder hier?
Und der Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite hielt weiterhin Schritt mit meiner Mutter.
Du siehst zu viel fern , schalt ich mich.
Zu viele Kriminalgeschichten .
Ich fuhr davon. Eine Straße, dann zwei Straßen.
Aber es war meine Tochter, und es war meine Mutter.
Und wieder fuhr ich den gleichen Weg zurück.
Als ich sie wieder erreicht hatte, kniete meine Mutter auf dem Gehweg und hielt die Hände an ihren Kopf. Der Kinderwagen lag umgekippt da. Mein Herz raste, ich fuhr heran und schrie: »Ist alles okay mit euch?«
»Er hat mir die Tasche weggenommen!«, schrie sie hysterisch. Verzweifelt deutete sie zur nächsten Straßenecke.
Ich fragte sie noch einmal, ob ihr nichts fehlte. Und dem Baby auch nicht?
Alles in Ordnung, gab meine Mutter zur Antwort. Abgesehen davon, dass sie zwei aufgeschürfte Knie von dem Sturz hatte, fehlte ihr nichts.
Wut durchzuckte mich. Es war mein Baby , es war meine Mutter !
Ich überzeugte mich davon, dass mein Sohn auf dem Rücksitz sicher verstaut war, und gab Gas. Zugegeben, nicht die weiseste Entscheidung, die ich traf. Aber ich reagierte eher, als dass ich nachdachte.
French Connection war das hier nicht. Ich saß in einem Auto, und er war zu Fuß, und so holte ich ihn ziemlich schnell ein. Ich drückte auf die Hupe, kurbelte das Fenster herunter und brüllte, so laut ich konnte: »Lass die Handtasche fallen, du Wichser!«
»Wichser!«, plapperte mein Sohn auf dem Rücksitz nach.
Aber der Idiot lief einfach weiter. Im Rückblick glaube ich, dass es eher Furcht als Sturheit war. Er war verdammt schnell auf den Beinen und rannte wie ein Wiesel. Aber selbst ein Jesse Owens hätte gegen einen V8-Motor keine Chance gehabt. Ich drückte weiter auf die Hupe und kreischte ihn an, die gottverdammte Tasche fallen zu lassen.
»Gottverdammte Tasche«, äffte mein Sohn nach.
Vor uns ging ein Fußgänger. Zwei Fußgänger. Ich kann mich nicht mehr genau an sie erinnern. Außer dass es Männer waren und einer von ihnen einen Mantel aus gelbem Schottenkaro trug. Ich weiß nicht, weshalb gerade das bei mir hängengeblieben war, aber es war so. Und der mit dem karierten Mantel zog eine Pistole... richtete sie auf den Läufer und brüllte: »Stehen bleiben!«
Und der Mann blieb stehen.
Wie im Film.
Ich riss den Wagen herum, bog in eine Einfahrt und verstand nicht wirklich, was hier vor sich ging.
Der Mann mit dem Mantel befahl dem Läufer, die Tasche fallen zu lassen. »Fallen lassen!«, brüllte er. »Fallen lassen, fallen lassen, fallen lassen!«
Der Läufer hatte einen Blick in den Augen wie ein Reh, das von einem Scheinwerfer geblendet wird. Er ließ die Handtasche fallen.
Der Mann mit dem Mantel befahl ihm, sich hinzulegen.
Wie im Film.
Ich stürzte aus dem Wagen. Ich zeigte auf den Läufer, zeigte auf die gestohlene Handtasche meiner Mutter und sagte wütend: »Das ist nicht seine Handtasche!«
Allmählich kamen die Anwohner aus ihren Löchern und erboten sich, die Polizei zu rufen. Das war ziemlich überflüssig, weil der Mann im Mantel sich als Polizist herausstellte, der gerade nicht im Dienst war, seinen
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