Mord im Herbst: Roman (German Edition)
tiefes Loch auf, und Ivar Pihlak war tot, bevor er auf dem Boden auftraf.
Wallander saß lange vollkommen reglos auf dem Küchenboden. Er spürte nichts als eine unsagbare Freude. Er lebte, aber der alte Mann war tot. Die Waffe, die Ivar Pihlak in den Händen gehalten hatte, gehorchte ihm in den letzten Augenblicken seines Lebens nicht mehr.
Langsam kam Wallander hoch und wankte hinaus zum Wagen. Er rief Martinsson an und berichtete, was geschehen war.
Er blieb draußen auf dem Hof im kalten Wind und wartete. Er dachte an nichts und wollte nichts. Es war mehr als genug, dass er noch lebte.
Nach vierzehn Minuten sah er das erste Blaulicht näher kommen.
26.
Zwei Wochen später, wenige Tage vor Weihnachten, begleitete Linda ihren Vater hinaus auf den Hof in Löderup. Sie hatte darauf bestanden, dass er noch einmal einen Besuch dort machte. Dann könnte er Martinsson die Schlüssel zurückgeben und nach einem anderen Haus suchen.
Es war ein kalter und klarer Tag. Wallander war schweigsam und hatte seine Mütze tief in die Stirn gezogen. Sie gingen im Garten umher, und Linda wollte auch ins Haus, um zu sehen, wo Ivar Pihlak gestorben war und wo ihr Vater geglaubt hatte, sein letztes Stündchen sei gekommen. Wallander zeigte und deutete und murmelte. Aber als Linda Fragen stellen wollte, schüttelte er nur den Kopf. Es gab nichts mehr zu sagen.
Nach dem Besuch im Haus fuhren sie gemeinsam zurück nach Ystad und gingen zum Essen in eine Pizzeria. Gerade als das Essen kam, wurde ihm übel. Der Anfall war heftig und kam wie aus dem Nichts. Er erreichte gerade noch die Toilette, bevor es zu spät war.
Linda sah ihn fragend an, als er zurückkam.
»Bist du krank?«
»Es ist mir vielleicht erst jetzt klar geworden, wie wenig gefehlt hat, und ich wäre tot gewesen.«
Er sah, dass es auch für sie jetzt erst vorstellbar wurde. Sie saßen lange schweigend am Tisch. Das Essen wurde kalt. Später dachte Wallander, dass sie sich kaum einmal so nah gewesen waren wie in diesen Minuten.
Am Morgen danach ging Wallander früh ins Präsidium. Er klopfte an Martinssons Tür. Das Zimmer war leer. Aus einem anderen Raum hörte man ein Radio, aus dem Weihnachtslieder ertönten. Wallander trat ins Zimmer und legte das Schlüsselbund mitten auf Martinssons Schreibtisch.
Dann verließ er das Präsidium und ging zu Fuß hinunter ins Stadtzentrum. Es schneite, Schneematsch lag auf den Bürgersteigen.
Wallander blieb vor der größten Maklerfirma der Stadt stehen. Die Fenster waren schön anzuschauen und voller Abbildungen von Häusern zwischen Ystad und Simrishamn, die zu verkaufen waren.
Wallander schnäuzte sich in die Finger. Es gab ein Haus in der Nähe von Kåseberga, das ihn interessierte.
Er ging hinein. Im gleichen Augenblick, in dem er durch die Tür trat, verwandelten sich alle Gedanken an Ivar Pihlak und seine Geschichte in eine Erinnerung. Die ihn vielleicht in der Zukunft noch einmal heimsuchen, die aber von nun an nur eine Erinnerung sein würde.
Wallander blätterte in Katalogen und sah sich Fotografien verschiedener Häuser an.
Für das Haus in der Nähe von Kåseberga, das er im Schaufenster gesehen hatte, verlor er jedes Interesse. Das Grundstück war zu klein, die Nachbarhäuser lagen zu nah. Er blätterte weiter. Es gab viele Häuser und abgeteilte Höfe zur Auswahl. Aber die meisten waren zu teuer. Ein armer Polizist muss vielleicht in einer Wohnung leben, dachte er ironisch.
Aber er hatte nicht die Absicht, klein beizugeben. Er würde sein Haus finden, und er würde sich einen Hund anschaffen. Im nächsten Jahr würde er die Mariagatan für immer verlassen. Er hatte sich entschieden.
Am Tag nach Wallanders erstem Besuch beim Immobilienmakler lag eine dünne weiße Schneedecke über der Stadt und den braunen Äckern.
Weihnachten war kalt in diesem Jahr. Von der Ostsee zogen raue Winde landeinwärts.
Der Winter war nach Schonen gekommen.
Nachbemerkung
Diese Geschichte wurde vor vielen Jahren geschrieben. In Holland hatte man die Idee, dass jeder, der in einem bestimmten Monat, dem Monat des spannenden Buchs , einen Kriminalroman kauft, ein Buch gratis bekommen soll. Ich wurde gefragt, ob ich es schreiben wollte. Die Idee war gut; mehr Menschen fürs Lesen zu gewinnen.
Das Buch erschien. Viele Jahre später beschloss die BBC , den Text als Grundlage für das Drehbuch zu einem Film zu verwenden, in dem Kenneth Branagh den Kommissar Wallander spielt. Ich sah den Film und fand, dass
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