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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Giger
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verstauen.
    Während sie auf den wilden Haarschopf des Philosophen sah, spürte sie
einen Schlag auf den Hinterkopf, und Schopenhauers Konterfei tauchte in tiefes
Schwarz.
     
    Stahl hatte die Fahrt mit dem Taxi durch seine Heimatstadt
genossen. Er war einer der wenigen, denen es gelungen war, aus dem Kanton
Zürich in der Garde aufgenommen zu werden. Die kleine Armee wurde von Wallisern
dominiert. Der Vatikan hatte sie über die Jahrhunderte bevorzugt, weil sie als
Erzkatholiken galten. Es war nicht leicht, sich zwischen ihnen einen Platz zu
verschaffen. Aber Stahl hatte sich durchgebissen. Mehr als das. Er war zum
Sonderdiplomat für spezielle Einsätze erkoren worden und genoss dadurch einen
besonderen Status. Er erhielt seine Aufträge direkt vom Camerlengo. Das hatte
ihm nicht nur Respekt, sondern auch Neider beschert. Vor allem die Walliser
hatten nicht verstanden, warum nicht einer aus ihren Reihen dieses Vertrauen
genoss.
    Er zahlte und wartete, bis der Fahrer ihm sein Gepäck aus dem Kofferraum
hob. Der untersetzte Mann mit dem verschwitzten Hemd ächzte unter dem Gewicht
des Koffers. Stahl nahm ihm das Gepäckstück aus der Hand, ehe es auf den
Asphalt schlagen konnte. Der Fahrer lächelte dankbar. Für das grosszügige
Trinkgeld, das Stahl ihm gegeben hatte, durfte er das erwarten.
    Stahl sah zur Schweizer Flagge über dem Eingang des Hotels hinauf, die
von zwei blau-weissen Fahnen flankiert wurde. Er nahm den Koffer und steuerte
auf den «Schweizerhof» zu. Vierhundert Franken pro Nacht konnte er sich
leisten. Er wollte nur drei Tage hierbleiben, ehe er wieder mit wesentlich
kleinerem Gepäck an Orten zu übernachten hatte, an denen man sich schon freute,
wenn es überhaupt fliessend Wasser gab.
    Ein Yuppie-Pärchen verliess eben das Hotel und lachte hochglanz. Ihm
gehörte die Welt, es konnte sich den Luxus leisten. Stahl sah ihm nach, dann
blickte er wieder auf den Eingang des Hotels. Nein, er würde hier nicht
übernachten können. Dieses Zürich war nie seine Heimat gewesen, und er wollte
sie sich jetzt auch nicht erkaufen. Er packte seinen Rollkoffer und zog ihn
hinter sich her, entlang der Löwenstrasse. Eine Viertelstunde würde es zu Fuss
dauern, dann wäre er dort, wo er einst zu Hause gewesen war.
    Zürich am Sonntag war noch immer so beschissen und tot wie eh und je.
Daran hatte sich nichts geändert. Die Sihl wälzte hellbraune Brühe. Das
gestrige Gewitter hatte den Schlamm aufgewühlt und nach oben gedrückt. Der
Fluss zeigte, dass es in der Stadt auch noch andere Farben als die des Geldes
gab, und erlaubte sich bisweilen, das Stadtbild zu trüben. Stahl überquerte bei
der Gessnerallee die Sihl und bog in die Militärstrasse ein. Allmählich kam er ins
Schwitzen. Die Septembersonne brannte stärker, als er erwartet hatte. Er könnte
seinen Trenchcoat ausziehen, aber dann müsste er ihn tragen.
    Hinter der Kaserne blieb er kurz stehen. Der Platz war bevölkert mit
Wohnwagen, die ein Zelt mit der Aufschrift «Broadway» umzingelten. Artisten in
knappen Höschen spielten Volleyball über eine gespannte Schnur und vertrieben
sich die Zeit bis zur Nachmittagsvorstellung.
    Stahl setzte seinen Marsch fort und spürte in der Magengrube, wie sich
etwas zu einem Kloss verdichtete. Er war sich nicht mehr so sicher, ob der
«Schweizerhof» nicht doch die bessere Adresse gewesen wäre. Allmählich änderte
sich das Strassenbild. Die ersten Afrikanerinnen mit gestellten Brüsten und
hochhackigen Absätzen zwinkerten ihm zu, einige verkaterte Zuhälter
diskutierten laut über die gestrige Niederlage des FC  Zürich gegen Erzfeind Basel, und zwei Junkies
wackelten auf Stahl zu, um sich von ihm mit einem devoten Lächeln eine
Zigarette zu schnorren.
    Er griff in die Innentasche seines Trenchcoats und fingerte ein silbernes
Etui hervor. Er liess es aufschnappen und streckte es den Jungs entgegen. Der
eine nahm mit zittrigen Fingern gleich vier Kippen, die er mit seinem Kollegen
teilte. Sie trotteten davon. Stahl ging die letzten Meter in Richtung Heimat
und stand in der Langstrasse, direkt vor dem Hotel «Rothaus». Der rote
Backstein lud ein, das Gewimmel auf der Strasse liess den bigotten Sonntag
vergessen. Hier würde er sich wohlfühlen, redete er sich ein, und steuerte auf
den Eingang zu.
     
    Um an die Rezeption zu gelangen, musste Stahl durch den
Frühstücksraum, der eher wie eine dunkle Bierstube aussah.
    Die Frau an der Rezeption hatte den Gast bereits wahrgenommen, liess sich
durch sein Auftreten

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