Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Drohung und seiner Angst um des Pharaos Leben. Und schließlich erzählte er ihr von seinen gescheiterten Hoffnungen auf eine glänzende Laufbahn als Schreiber, von seinen Eltern, die ihn verkauft, von seinen Adoptiveltern, die so viele Hoffnungen in ihn gesetzt hatten. Am Ende erzählte er ihr dann auch noch von Chaemepes wahnsinnigem Ehrgeiz und von dessen Glück und Rechmires Unglück mit Baketamun, der Tochter des Hohepriesters des Amun.
Die Worte kamen aus Rechmires Mund und sein Geist war nicht mehr fähig, ihnen Einhalt zu gebieten. Als er endlich endete, stand Amuns Wagen bereits tief im Westen. Er war erschöpft und hatte den dargebotenen Krug Wasser nicht einmal angerührt – und war doch unendlich erleichtert. Gierig trank er nun das inzwischen warm und schal gewordene Nass.
Hunero war die ganze Zeit auf einem kleinen Schemel gehockt und ihn mit ernster Miene angeblickt, ohne ihn auch nur einmal mit einem Wort zu unterbrechen. Erst als sie fühlte, dass er sich erschöpft hatte, stand sie auf und entzündete eine kleine Öllampe, deren flackernder rötlicher Lichtschein tanzende Schatten an die Wände warf. Dann holte sie ihre Harfe aus einer Truhe hervor.
»Ich werde für dich singen«, sagte sie gleichmütig, als sei dies eine selbstverständliche Antwort auf seinen Monolog.
Rechmire erwiderte nichts, sondern sah zu, wie sie sich in Positur stellte. Sie begann mit einer Hymne an Hathor, die er gut kannte. Er schloss die Augen und genoss ihre helle, kräftige Stimme. Sie sang zu Ehren der Götter. Dem Lobgesang auf Hathor folgten Hymnen auf Meretseger, auf Amun, Ptah, Thot und Sechmet.
Er achtete nicht mehr auf die Worte, sondern genoss den weichen Klang ihrer Stimme, die seine Seele entspannte, wie kundige Hände angespannte Schultern weich massieren können. So dauerte es sehr lange, bis Rechmire auffiel, dass Hunero inzwischen nicht mehr Götterhymnen, sondern Liebeslieder sang.
Er blickte verlegen aus dem Fenster und sah, dass es draußen bereits dunkel geworden war. In der Gasse vor Huneros Haus flackerte eine Pechfackel. Das Dorf lag da in erwartungsvoller Ruhe vor dem großen Ereignis am morgigen Tage. Mit einer schüchternen Geste bat Rechmire sie, ihren Gesang zu unterbrechen. Linkisch stand er von der Liege auf.
»Ich werde jetzt besser gehen«, murmelte er.
Doch Hunero lächelte ihn nur schweigend an und legte die Harfe beiseite. Dann löste sie mit einer einzigen, fließenden Bewegung ihr Leinengewand. Mit spielerischer Langsamkeit drehte sie sich einmal im Kreis, damit er ihren perfekten Körper bewundern konnte.
»Diese Nacht ist die erste für mich und vielleicht die letzte für dich«, flüsterte sie. Dann löschte Hunero den Schein der Öllampe.
17. BUCHROLLE
D AS NAMENLOSE H AUS DER E WIGKEIT
Jahr 6 des Merenptah, Achet, 29. Tag des Paophi, Set-Maat
Rechmire wachte in der Stunde auf, bevor Amuns Wagen den östlichen Horizont durchbrach. Das Licht war grau, der Himmel hatte die fahle Farbe alten Leinens. Er spürte Huneros warmen, weichen Körper neben sich, als sie sich im Schlaf umwandte; er lauschte ihren tiefen, regelmäßigen Atemzügen und sog den leicht nach Lotosblüten riechenden Duft ihrer Haut ein. Er fühlte sich unendlich glücklich und traurig zugleich. Rechmire küsste sie auf den Hals und streichelte ihre kleinen, festen Brüste. Er war so zärtlich, dass Hunero erst erwachte, als er sie behutsam nahm.
Sie lächelte ihn an, sagte aber nichts, sondern schloss genießerisch die Augen. Sie liebten sich lange und leidenschaftlich, ohne dass einer von ihnen auch nur ein Wort sprach.
Erst als Amuns Licht schon morgenhell war und Dutzende von aufgeregten Stimmen aus den Gassen und Dachterrassen bis in ihr Haus drangen, ließen sie voneinander ab.
Rechmire holte einen großen Wasserkrug und wusch sich. Dann zog er sich seinen Leinenschurz an und schlang ein hastiges Mahl aus Wasser und trockenem Brot hinunter, während seine Geliebte noch immer nackt und liebessatt auf dem Lager lag und ihm schläfrig zusah.
Er unterbrach die selige Stille zwischen ihnen erst, als er sich erhob, sich zu ihr niederbeugte und sie zum Abschied noch einmal lange küsste. »Ich wünschte, ich könnte bis in alle Ewigkeit an deiner Seite sein«, flüsterte er. »Doch wenn der Frevler heute zuschlägt, dann werde ich niemals mehr zurückkehren können.«
Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und zog ihn noch einmal zu sich herab, als er sich schon abwenden wollte. »Ich will die
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