Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
er sich in die Stirn kämmen lassen, sodass seine Augen verschattet wirkten und niemand zu sagen vermochte, wen er gerade anblickte.
Alle Anwesenden hatten sich in den Staub geworfen und Mentuhotep ließ sie dort liegen, bis er mit gravitätischen Schritten zu seinem Sitz gegangen war und sich dort niedergelassen hatte.
»Ihr dürft euch erheben«, erlaubte er ihnen schließlich mit halblauter Stimme. Es waren die ersten Worte, die er an alle richtete.
Die Soldaten und Sklaven nahmen zu seiner Linken Aufstellung, seine Schreiber zur Rechten. Die Dorfbewohner standen in einem Halbkreis im respektvollen Abstand von einigen Schritten um den Amtssitz herum.
Rechmire zögerte einen Moment. Er blickte die Schreiber an, zu denen er offiziell noch immer gehörte. Vor wenigen Tagen noch war ihre Welt auch seine Welt gewesen, hatte er ihre Hoffnungen und Ängste geteilt, war er von dem Ehrgeiz befeuert gewesen, der sie noch immer antrieb. Jetzt fühlte er, dass sich eine unüberwindbare Kluft zwischen ihnen und ihm aufgetan hatte: Es war, als läge ein unsichtbarer, aber unzerreißbarer Schleier zwischen ihnen.
Viele Schreiber bemühten sich, Rechmire zu ignorieren. Die mutigeren warfen ihm gelegentlich kurze Blicke zu und einige wenige wagten es gar, ihn in kurzen Momenten, in denen sie sich unbeobachtet wähnten, höhnisch anzugrinsen.
Rechmire hätte sich am liebsten in das Halbrund der Dorfbewohner eingereiht, doch er wusste, dass dies Mentuhoteps Zorn und Misstrauen erregt hätte. Also gesellte er sich zu den anderen Schreibern und starrte demütig zu Boden, bis der Tschati ihn rufen würde.
Doch Mentuhotep war zunächst damit beschäftigt, die zeremonielle Begrüßung entgegenzunehmen, die, da Kenherchepeschef und Sennodjem tot waren, von den sichtlich verlegenen Vorarbeitern entboten wurde.
In der Gruppe der Schreiber gab es leichte Unruhe – und dann sah Rechmire aus den Augenwinkeln, dass sich Chaemepe neben ihn gedrängt hatte. Er unterdrückte ein Stöhnen und zwang sich, keine Regung von Wut und Eifersucht auf seinem Gesicht zu zeigen.
»Baketamun ist eine Künstlerin«, flüsterte Chaemepe ohne weitere Begrüßung. »Und damit meine ich nicht nur ihre Talente als Sängerin des Amun«, setzte er mit einem dreckigen Grinsen hinzu.
Rechmire hätte am liebsten einen Stein genommen und damit das arrogant wirkende, kantige und ungemein gut aussehende Gesicht seines triumphierenden Rivalen eingeschlagen. Doch er hatte sich so gut in der Gewalt, dass nicht einmal ein Muskel zuckte. Er starrte weiterhin mit gesenktem Kopf auf den Boden und tat so, als hätte er nichts gehört.
»Weißt du, warum sie dich fallen gelassen hat wie einen Sack alten Getreides, in dem man plötzlich eine Kobra entdeckt hat?«, fuhr Chaemepe höhnisch fort. Er ließ sich von Rechmires Regungslosigkeit nicht beirren. »Weil sie weiß, dass du an dieser Aufgabe scheitern wirst und statt einer glänzenden Laufbahn nur noch Schande auf dich wartet. Ihr nichts ahnender Vater selbst hat es ihr gesagt. Userhet hält dich für verloren.«
Rechmire fragte sich, weshalb der Hohepriester mit seiner Tochter über diesen Fall gesprochen und warum er ihm keine Aussicht auf Erfolg mehr gegeben hatte. Neben den Gefühlen von Eifersucht und hilfloser Wut erfasste ihn nun ein drittes: das einer unbestimmbaren Bedrohung.
Chaemepe warf ihm einen kurzen, aufmerksamen Blick zu, um die Wirkung seiner Worte abzuschätzen. Dann grinste er befriedigt. »Baketamun ist ein verwöhntes Mädchen – und ein sehr, sehr ehrgeiziges obendrein. Weißt du, wovon sie träumt? Sie möchte irgendwann die Große Königliche Gemahlin sein. Die Frau des Pharaos! Aber Merenptahs ältere Söhne sind alle längst verheiratet. Also war sie auf der Suche nach einem jungen, ehrgeizigen Schreiber, der so gut ist, dass er es bis auf den Horusthron schafft.«
Rechmire verlor zum ersten Mal die Beherrschung. »Du bist verrückt!«, zischte er.
»Warum nicht?«, erwiderte Chaemepe hochnäsig. »Eje und Haremhab kamen aus Familien, die niedriger sind als meine – und sie haben es auch geschafft.«
»Der eine war Priester, der andere Soldat«, antwortete Rechmire.
»Na und? Dann ist es an der Zeit, dass jetzt ein Schreiber dran ist«
»Das ist Hochverrat.«
»Mach dir darüber keine Sorgen. Bis ich so weit bin, den entscheidenden Schritt zu tun, haben dich die Krokodile längst verdaut. Dein Name wird vergessen sein, selbst Baketamun wird sich deiner nicht mehr erinnern. Der Ort
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