Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
der Wahrheit wird für dich der Ort des Todes sein.«
Rechmire hatte seine Hände zu Fäusten geballt und holte tief Luft. Doch bevor er antworten konnte, klopfte der Herold mit seinem Stab auf den Boden.
»Verneigt euch und geht!«, rief er. »Der Prophet der Maat möchte ungestört sein. Nur der Schreiber Rechmire, Sohn des Raia, möge hier bleiben.«
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich alle, tief verbeugt und rückwärts schreitend, aus dem Schatten des Sonnensegels entfernt hatten. Einige Schreiber warfen Rechmire im Hinausgehen mitleidige Blicke zu, Chaemepe wagte sogar die Andeutung eines spöttischen Soldatengrußes.
Rechmire warf sich vor Mentuhotep in den heißen Sand und verharrte regungslos in dieser Position. Er versuchte, möglichst flach zu atmen, um keinen Staub in die Nase zu bekommen, der ihn zu einem Niesen hätte anregen und vom Tschati als Respektlosigkeit hätte aufgefasst werden können.
»Du kannst dich erheben«, sagte Mentuhotep. Seiner vollen Stimme waren keine Gefühle anzumerken.
Rechmire sah kurz in das Gesicht seines Herrn, doch schnell senkte er wieder das Haupt, um nicht in dessen dunkle Augen zu starren, die einen ganz leichten, aber sehr irritierenden Silberblick hatten. Stattdessen blickte er auf die Hände Mentuhoteps, deren Fingerspitzen hennarot geschminkt und deren übrige Haut auffallend hell war – die Hände eines Mannes, der nie in seinem Leben unter Amuns grellem Licht hatte arbeiten müssen.
»Berichte mir«, befahl der Tschati.
Rechmire schluckte und dachte an die Worte, die er sich so sorgfältig zurechtgelegt hatte. Er wollte mit langen Formeln der Bewunderung für den Pharao und Mentuhotep beginnen, ehe er zum eigentlichen Kern der Sache käme, den er wohl verkleidet präsentieren wollte. Doch nun verwarf er alle diese Gedanken. In nüchternen Worten berichtete er von seinen Nachforschungen.
»Ich habe den Frevler noch immer nicht gefunden, Herr«, schloss er, »doch ich habe zwei Verdächtige, denen ich die Tat nicht nachweisen kann – ja, für deren Unschuld sogar gewisse Hinweise vorliegen –, die ich morgen aber trotzdem besonders aufmerksam im Auge behalten werde: einen Zeichner aus Set-Maat namens Parahotep und den Priester Kaaper.«
Er verschwieg allerdings die anderen Vergehen, deren sich diese beiden Männer bereits schuldig gemacht hatten.
Mentuhotep verzichtete zu Rechmires Erleichterung auf genauere Nachfragen, doch hob er beim Namen des Priesters erstaunt die rechte Augenbraue.
»Du verdächtigst einen Diener Amuns? Das wird Userhet überhaupt nicht gefallen. Der Hohepriester wird morgen noch vor dem Pharao hier anreisen, um den Ort der Wahrheit mit geheimen heiligen Riten vor allem Bösen zu schützen. Er wäre äußerst aufgebracht, wenn er dabei feststellte, dass ich einen seiner Priester wegen so schwerer Untaten habe verhaften lassen, ohne einen einzigen Beweis gegen den Mann zu haben.«
Rechmire hob abwehrend die Hände. »Ich glaube, dass es ausreicht, wenn wir Kaaper und auch Parahotep ununterbrochen von zuverlässigen Männern beobachten lassen«, erwiderte er. »Der Priester ist blind und der Zeichner alles andere als ein guter Kämpfer.«
Mentuhotep lächelte dünn. »Ich habe Anchmahor, den Anführer der Leibgarde des Pharaos, in einem geheimen Gespräch über die Drohung gegen unseren Herrn und Gott informiert. Er hat mir zwanzig seiner besten Männer gegeben, die morgen überall entlang des Prozessionsweges versteckt sein werden. Weitere hundert Soldaten werden mit dem Pharao ankommen. Sie haben den strengen Befehl, sich stets so nah wie möglich um Merenptahs Sänfte zu scharen. Sie werden sein wie eine lebende Wand. Kein Mörder wird dem Pharao auf mehr als dreißig Schritt nahe kommen können. Trotzdem werde ich deinen Rat beherzigen und zwei Soldaten abstellen, einen für Kaaper und einen für den Zeichner. Sie werden wie Schatten sein und nicht von deren Seiten weichen.«
Der Tschati machte eine Pause und blickte Rechmire aufmerksam an. »Gibt es noch andere Verdächtige?«, fragte er nach einer quälend langen Pause.
Rechmire dachte an Hunero, doch dann schüttelte er diese Idee ab wie einen bösen Traum. »Nein, Herr«, antwortete er. Er hielt die Luft an, weil er nach dieser Antwort einen Zornausbruch von Mentuhotep befürchtete.
Doch dieser blieb unbeweglich wie eine Statue. »Es ist gut«, sagte er schließlich und nickte. »Rechmire, du verdienst einen Deben Gold und meine immer währende Gunst, weil du
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