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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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riesiger Strauß weißer Tulpenblumen in einer großen perlmuttfarbenen Vase.
    »Sehen Sie sich nur um«, sagte der Wissenschaftler. »Frisch, sauber und rein ist es hier. Der Aufenthalt wird mir so angenehm wie möglich gemacht. Es hat schon seine Vorzüge, wenn man sich eine gewisse Reputation als Forscher erarbeitet hat.«
    Otto betrachtete Trittin, der mit eingegipsten Armen auf dem Bett lag und trotz des munteren Tons einen erbarmungswürdigen Eindruck machte. Sein Gesicht war von Schweiß bedeckt. Zuweilen biss er die Zähne zusammen, als litte er unter plötzlich auftretenden Schmerzen.
    Bei ihren vergangenen Begegnungen hatte Otto das äußere Erscheinungsbild Trittins eingehend studiert. Seine Deutungen legten ihm nun die Rolle des Verächtlichen nahe, der die Leistungen und Bemühungen des Wissenschaftlers nicht würdigen konnte. Der Wissenschaftler würde um die Wertschätzung eines solchen Mannes buhlen wie um die Anerkennung seines Vaters, der nach den Erzählungen von Daniele Vicente kein Interesse an ihm gehabt und ihn zu einer kaltherzigen Tante abgeschoben hatte. Dieses Mal würde er Professor von Trittin nicht gewähren lassen, dieses Mal würde er die Spielregeln bestimmen und sich ganz gezielt die Minderwertigkeitskomplexe des Mannes zunutze machen.
    »Bekommen Sie kein Morphium?«, fragte Otto. »Sie machen den Eindruck, als könnten Sie dringend eine Injektion gebrauchen.«
    »Ich habe den behandelnden Ärzten die Verabreichung jedweder Schmerzmittel untersagt«, erwiderte Professor von Trittin stolz.
    »Weil Sie ein echter Germane sind, was?«, sagte Otto und lächelte hämisch. »Eine Kerl wie ein Baum, hä?«
    »Zweifeln Sie etwa daran?«, fragte Professor von Trittin.
    »Warum haben Sie mir diesen süßlichen Brief geschrieben? Sie sind doch nicht etwa ein warmer Bruder?«
    »Was erlauben Sie sich?«, fragte Professor von Trittin und wollte sich aufsetzen, was ihm bei zwei eingegipsten Armen kläglich misslang. »Wie können Sie es wagen, einen solchen Ton anzuschlagen? Mäßigen Sie sich gefälligst, ansonsten wird Ihr Verhalten ein Nachspiel haben.«
    »Jetzt habe ich aber Angst«, sagte Otto. »Mit diesen kräftigen Armen können Sie bestimmt ganz feste zuschlagen. Vergessen Sie bloß nicht, Ihre hochhackigen Schuhe anzuziehen, sonst müssen Sie noch auf einen Stuhl klettern, um mich zu verhauen.«
    »Herr Doktor, ich … was ist denn in Sie –«
    »Soll ich Ihnen mal sagen, warum ich nichts von Ihnen halte? Sie gehen ins Bordell und lassen sich von Frauen den Popo versohlen. Sie behaupten, ein großer Segler zu sein, und lassen sich von einem schwarzen Anfänger vorführen. Sie wollen ein gestandener Antisemit sein und kuschen sofort, wenn es mal ernst wird. Sie sind nicht der, der Sie vorgeben zu sein. Ich glaube, dass Sie nicht nur ein Schaumschläger sind, sondern ein Versager.«
    »Jetzt … jetzt weiß ich, was Sie vorhaben. Sie wollen mich provozieren, damit ich Ihnen erzähle, wie es gewesen ist.«
    »Das weiß ich auch so. Das muss ich mir von einem wie Ihnen nicht erklären lassen. Walter Leiser war ein Germane, ein richtiger Mann, der zu seinen Idealen gestanden hat und den Heldentod starb. Sie waren ihm zu verzagt, zu zeternd und zu weibisch. Sie haben sich vor Angst in die Hose gemacht und wollten zur Polizei gehen. Und weil Sie zu feige waren, wollte Walter Leiser Sie bestrafen. Das ist die ganze Geschichte, und so wird sie in den Köpfen aller Beteiligten in Erinnerung bleiben.«
    »Wer soll denn dieses Märchen glauben?«, sagte Professor von Trittin. »Was glauben Sie denn, von wem er das Zigarrenetui bekommen hat? Was glauben Sie denn, wo er das Chloroform herhatte, wer ihn auf die Idee mit dem Affenhaus gebracht hat, wer ihm den Schlüssel besorgt hat und wer ihm beim Mord an Salomon Hirsch gezeigt hat, wie man einen Menschen betäubt und die Schnitte setzt? Was glauben Sie denn, wer ihn auf den Bankier Frankfurter angesetzt hat? Ich, ich, ich, ich, ich und nochmals ich. Walter Leiser, pah! Der rannte schon auf dem Friedrichsgymnasium hinter mir her. Er war ein hervorragender, ein genialer Schüler, besonders in den alten Sprachen, aber er hat nichts aus seinen Talenten gemacht. Sein Studium der Jurisprudenz hat er abgebrochen. Er war einfach zu weich, zu empfindsam, und ein Stümper war er auch. Wie ich mittlerweile weiß, war der Bankier Frankfurter schon tot, als er ihm den Blutadler in den Rücken geschnitten hat. Er hatte einfach nicht gut genug aufgepasst, als

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