Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman
seinen ganzen Samen in ihren Schoß ergossen hatte.
Als er schwer atmend die Augen aufschlug, wusste er sofort, dass er geträumt hatte. Mit dem Handrücken wischte er sich über die schweißnasse Stirn.
Jene Nacht, im Urwald Paraguays, hatte sich ihm unauslöschlich eingebrannt; sie hatte sein Leben verändert. Er hasste sich dafür, dass er damals zu feige gewesen war, um für seine Überzeugung zu sterben. Er hasste sich dafür, dass er die Indianerin Raquel trotz ihrer minderen Rasse und trotz ihrer Krankheit immer noch begehrte.
Vier Wochen nachdem er bei ihr gelegen hatte, hatte sich an seinem Geschlecht ein Geschwür gebildet, das eine Flüssigkeit abgesondert hatte. In seinen Leisten und unter seinen Achseln waren Knoten angeschwollen. Dann waren die Symptome abgeklungen, und er hatte schon gehofft, dass er sich nur mit einer Tropenkrankheit angesteckt hatte.
Er war von Asunción nach Montevideo gereist und hatte eine Arbeit im Hafen angenommen, um sich die Überfahrt zu verdienen, aber dann hatte er hohes Fieber bekommen. Wieder waren die Knoten angeschwollen. Auf seinem ganzen Körper hatten sich Flecken gebildet. Ein zur Hilfe gerufener Arzt bestätigte seinen Verdacht. Koslowski und die anderen hatten ihm ein besonderes Abschiedsgeschenk gemacht; sie hatten ihn mit der Syphilis angesteckt.
Die Symptome waren wieder verschwunden, aber der Arzt hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie zurückkehren würden und dass er die Franzosenkrankheit bis zu seinem Lebensende in sich tragen würde. Die Judenbrut hatte es geschafft, dass er nie mit einer germanischen Frau ein reinrassiges Kind zeugen würde. Sie hatte einen weiteren Schritt getan, um das deutsche Volk zu vernichten.
Als ihm die ganze Tragweite bewusst geworden war, hatte er sich abgeschottet. Sieben Jahre lang hatte er sich fast niemandem zu erkennen gegeben, sieben Jahre lang hatte er fast niemandem von seinen Erlebnissen berichtet. Jeden Tag aufs Neue hatte er versucht, das ganze Ausmaß ihrer Verschwörung zu begreifen. Was er in Büchern, Zeitungen und bei Beobachtungen in Erfahrung gebracht hatte, war niederschmetternd gewesen. Sie waren Parasiten und saugten Deutschland aus. Sie kontrollierten die Presse, den Geldmarkt, das Schulwesen, die Politik und die Rechtsprechung. Nur wenigen reinrassigen Germanen gelang es noch, sich ihrer Herrschaft zu entziehen.
Lange hatte er um sein Volk getrauert, aber irgendwann hatte er das Joch nicht mehr ertragen. Er hatte sich entschieden, gegen die Tyrannei zu kämpfen. Nach und nach hatte er einen Plan entwickelt, den er nun in die Tat umsetzte.
Er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Schon bald würden die knotigen Geschwüre, die sich schon an seinem Arm gebildet hatten, auch seine Nase und seinen Mund entstellen. Lange würde er sie nicht mehr durch Verbände verdecken können, aber solange er noch aus dem Verborgenen wirken konnte, musste er ihnen den größtmöglichen Schaden zufügen.
Er hob die Wolldecke an und roch sofort, dass er sich befleckt hatte. Er setzte sich auf, tastete nach den Streichhölzern und steckte den Docht an. Dann drehte er den Regler der Petroleumlampe weit auf, sodass die Flamme größer wurde und die zahlreichen Zeitungsartikel an den Wänden beschien. Er erhob sich von seinem Bett und entledigte sich seines Nachtkleides, ohne die feuchten Stellen mit den Händen zu berühren. Morgen würde er es verbrennen.
Bevor er sich reinigte, musste er überprüfen, ob seine Sicherheitsvorkehrungen noch intakt waren. Zwar hatte er seinen Schlaf reduziert, auch schlief er nie länger als drei Stunden am Stück, aber mittlerweile kannte er ihre Feigheit und ihre Denkweise. Er war davon überzeugt, dass sie jede Nacht nach ihm suchten. Wenn sie ihn erst gefunden hätten, würden sie versuchen, ihn zu entführen. Er musste auf der Hut sein.
Zuerst ging er zur Tür und überprüfte den Sitz des Wollstopfens, den er ins Schlüsselloch gezwängt und mit Kerzenwachs verschlossen hatte, damit sie keine giftigen Gase in den Raum leiten konnten. Dann überprüfte er die Steinpappe, die er vor dem Fenster angebracht hatte, damit sie seine Gedanken nicht mit Hypnosestrahlen beeinflussen konnten.
Plötzlich hörte er Schritte auf dem Pflaster.
Er blieb wie angewurzelt stehen und lauschte nach draußen. Sein Herz raste, und das Blut pulsierte in seinen Schläfen. Die Schritte einer weiteren Person wurden laut. Hatten sie ihn entdeckt? Sammelten sie sich, um ihn zu holen? Verdammt! Sie
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