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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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zuwenden.«
    Der Platzwart stand noch eine Weile unschlüssig herum, als wäre er sich nicht sicher, ob er das Boot diesen Männern überlassen konnte. Dann hob er halbherzig die Hand zum Gruß und trottete davon.
    Moses sah Otto erwartungsvoll an. »Und jetzt?«
    »Frei nach dem Motto ›Probieren geht über studieren!‹ legen wir ab und beginnen mit dem Training«, sagte Otto weitaus kerniger, als ihm zumute war. Mit zittrigen Händen kniete er sich hin, brachte irgendwie seine Beine über den Rand des Anlegers und stellte sich auf das Segelboot, das unter seinem Gewicht sofort zu schaukeln begann. Mit Mühe und Not bekam er den ausschlagenden Baum zu fassen, überwand einen kurzen Schwindelanfall und hangelte sich mit letzter Kraft zum Heck, wo er sich mit schweißüberströmtem Gesicht gleich neben die Pinne setzte.
    »Du bist ganz grün um die Nase«, sagte Moses, während er seinem Dienstherrn ins Boot folgte. »Du wirst doch nicht seekrank werden.«
    »Papperlapapp. Wir haben noch nicht mal abgelegt. Ich muss mich nur einen Moment ausruhen, dann geht es schon wieder«, sagte Otto und schloss die Augen, was sich als großer Fehler erwies. Anstatt seinen Magen zu beruhigen, erreichte er das Gegenteil. Ohne etwas zu sehen, nahm er das Auf und Ab, die kleinen Hüpfer und das unentwegte Schaukeln und Schlingern noch intensiver wahr. Schließlich konnte er nicht mehr an sich halten, lehnte sich über die Bordwand und sah in das Antlitz zweier großäugiger Fische, die schon auf ihre Mahlzeit warteten.
    Otto brauchte eine halbe Stunde, bis er wiederhergestellt war. Zusammen mit Moses fand er schnell heraus, dass er unmöglich seekrank gewesen sein konnte, was im Hinblick auf ihre Teilnahme an der Übungsregatta auch eine Katastrophe gewesen wäre. Vielmehr hatte er kurz vor ihrem Aufbruch noch ein déjeuner dînatoire , ein dinnerartiges Frühstück, verschlungen, das auch für seine Ernährungsgewohnheiten mit einer üppigen Portion Räucheraal, grober Brandenburger Leberwurst und frittierten Käsekugeln sehr fett gewesen war. Sein Magen hatte wohl rebelliert.
    Als sie wieder an Bord des Bootes geklettert waren, fand er sich schneller zurecht, als er insgeheim befürchtet hatte. Ziemlich geschwind setzte er das Großsegel. Bei einem Halbwindkurs nahmen sie Fahrt Richtung Sandwerder auf. Munter schwappte das Wasser gegen die Bordwand, von Zeit zu Zeit sprang ein Fisch aus dem glitzernden Nass, und der Bootsanleger wurde immer kleiner.
    Otto überlegte, was er als Nächstes tun sollte, und entschloss sich, nichts zu überstürzen. Zunächst nahm er das stehende und laufende Gut in Augenschein und ordnete es bestimmten Funktionen zu. Noch hielt er es für verfrüht, um das Vorsegel zu setzen. Es würde ihren ersten Törn nur unnötig erschweren und sie möglicherweise überfordern.
    Als er in der Ferne eine Kräuselung der Wasseroberfläche ausmachte, die sich mit hoher Geschwindigkeit näherte, begriff er, dass sie bald von einer heftigen Böe erfasst werden würden. In dieser Situation empfahl er Moses nachdrücklich, die Korkweste überzuziehen. In der Erwartung der Naturgewalten klammerte er sich selbst an die Bordwand. Schon spürte er den Wind in seinem Haar, und das Boot legte sich bedenklich auf die Seite. Ja, es drohte sogar zu kentern. Er spürte, wie ihm sein Herz bis zum Hals schlug. Sollte ihr Segelabenteuer wirklich ein so jähes und unrühmliches Ende finden?
    Während Otto sich bemühte, einen kühlen Kopf zu bewahren, und im Geiste mögliche Rettungsmaßnahmen durchging, flaute der Wind glücklicherweise wieder ab, sodass ihnen ein Bad im Wannsee erspart blieb. Erleichtert setzte er sich neben die Pinne. Vielleicht sollte er bei der nächsten Sturmböe einfach den Druck aus dem Großsegel nehmen. Dazu musste er nur die Großschot losschlagen. Ja, das klang einleuchtend.
    Die Insel Sandwerder war näher gekommen, und schon erwartete ihn die nächste Herausforderung. Er erinnerte sich daran, dass die Pinne bei einer Wende immer hart in die entgegensetzte Richtung vom beabsichtigten Kurs zu bewegen war. Eine Halse zu segeln, traute er sich noch nicht. Er befürchtete, dass der Baum unkontrolliert ausschlagen und sie über Bord fegen könnte. So legte er die Pinne zunächst hart nach Backbord und beobachtete mit stiller Faszination, wie das Boot unter seiner Regie eine Richtungsänderung vollführte, die nach einer weiteren Kursänderung einem »Q« verblüffend ähnelte. Jetzt befanden sie sich auf Kurs

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