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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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musste er hinter den Türen, unter dem Bett und im Kleiderschrank nachschauen. Bei früheren Begegnungen hatte er sie als mutig und entschlossen erlebt. Jetzt zuckte sie beim leisesten Geräusch zusammen. Er war sich sicher, dass etwas vorgefallen sein musste.
    Als er mit dem Rundgang fertig war, sagte er: »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass du heute Nacht alleine hierbleibst.«
    »Du musst dir keine Sorgen machen«, erwiderte sie. »Ich wohne seit zehn Jahren alleine.«
    »Hat in dieser Zeit jemand unter deinem Bett nachschauen müssen?«
    »Es ist alles in Ordnung.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich!«
    Otto seufzte. Wenn sie ihm keine Erklärung gab, konnte er nichts unternehmen. »Ich veranstalte am Sonntag anlässlich der Übungsregatta ein kleines Fest, zu dem ich dich gerne einladen möchte.«
    »Vorausgesetzt, dass du am Samstag zu meiner Ausstellungseröffnung kommst, werde ich gerne mit den siegreichen Segelrecken anstoßen.«
    »Abgemacht.«
    Sie lächelten einander zu.
    »Was wirst du mit dem angebrochenen Abend anfangen?«, fragte Igraine.
    »Ich habe noch etwas vor.«
    »Etwa privat?«, fragte sie, und zwischen ihren Augenbrauen zeigte sich eine steile Falte.
    »Nein, beruflich. Kann ich dich wirklich allein lassen?«
    »Da bin ich aber beruhigt«, sagte Igraine, griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. »Das kannst du. Mir wird schon nichts passieren.«
    Villenkolonie Westend
    Drei Stunden später legte sich Otto auf seinem Fahrrad in die Kurve und bog in die Ahornallee ein. Glücklicherweise spendete der Mond genügend Licht, um die Straße zu erkennen. Er konnte nicht glauben, dass Männer wie Professor von Trittin und Daniele Vicente abends in trauter Zweisamkeit zu Hause saßen und Schach spielten. Nach dem Gespräch vor der Friedrich-Wilhelms-Universität hatte ihn ein komisches Gefühl beschlichen und nicht mehr losgelassen. Er war sich sicher, dass heute Nacht etwas geschehen würde.
    Aus dem Adressverzeichnis wusste er, dass Professor von Trittin in der Nussbaumallee wohnte. Eine Nummer war nicht angegeben gewesen, aber er würde das Haus schon erkennen, wenn er davorstehen würde.
    Während er das Tempo drosselte, betrachtete er die vom Mond beschienenen Villen. Die Baumeister hatten Elemente aus Gotik, Barock und Rokoko gemischt. Die kostspielige Gestaltung der Fassaden, die gepflegten Gartenanlagen und die kunstvoll geschmiedeten Zäune legten ein Zeugnis vom Wohlstand der Bewohner ab. Hier residierte das Großbürgertum. Allerdings stach eine Behausung besonders ins Auge.
    Otto ließ das Fahrrad ausrollen und schob es hinter den Stamm eines Walnussbaumes. Von hier hatte er einen guten Blick, ohne selbst gesehen zu werden. Über der Eingangstür des zweigeschossigen Walmdachgebäudes prangte ein goldenes Familienwappen mit einem großen »T«, vermutlich für Trittin. Links und rechts der Eingangstür brannten elektrische Lampen aus gebürstetem Messing, welche die doppelläufige Treppe, den Springbrunnen und zahllose Marmorstatuen erhellten. In der Kieseinfahrt stand ein Schiffslandauer mit geschlossenem Verdeck und brennenden Scheinwerfern. Anscheinend wollte der Hausherr noch eine Ausfahrt unternehmen.
    Da öffnete sich auch schon die Tür, und Professor von Trittin und Daniele Vicente traten nach draußen. Sie ließen sich von dem Kutscher, der eine Phantasieuniform mit goldenen Epauletten trug, den Verschlag öffnen und kletterten in den Schiffslandauer, dessen kleine Kabine hin- und herschaukelte, bis sie im Inneren Platz genommen hatten. Der Kutscher kletterte auf den gesteppten Lederbock, griff nach der Peitsche und trieb die beiden Zugpferde an. Unter den Wagenrädern knirschte der Kies.
    Otto ließ das Fuhrwerk um die Ecke biegen, ehe er die Verfolgung Richtung Berlin aufnahm. Er beglückwünschte sich zu dem Entschluss, seine frühere Trainingsmaschine der Marke Nürnberger Velociped genommen zu haben. Mit den Dunlop-Luftpneus war er nahezu geräuschlos unterwegs, der stabile Rahmen hielt Erschütterungen stand, und er konnte der Kutsche mühelos folgen.
    Es ging bereits auf Mitternacht zu, und die Trottoirs waren weitgehend menschenleer. Nur vereinzelt schwankten Herren von ihren Gesangs- oder Kegelabenden heim. Während Otto in die Pedale trat, spürte er den Fahrtwind im Gesicht. Er wich einem Schlagloch aus und reduzierte das Tempo, um den Abstand zu dem Schiffslandauer wieder zu vergrößern. Wohin fuhren die Männer nur? Was hatten sie vor? Sogar im »Bayreuther

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