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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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gesenkt und bekam nichts von ihrer Umgebung mit. Sie schien tief in Gedanken versunken zu sein.
    Otto überholte sie auf dem Trottoir der gegenüberliegenden Straßenseite, schlängelte sich durch den Verkehr und baute sich vor ihr auf. »Du hast gesagt, dass du eine gute vegetarische Restauration kennst. Heute möchte ich dich zum Essen ausführen.«
    Als Igraine aufsah, fiel alle Nachdenklichkeit von ihr ab. »Wie schön!«, rief sie. »Soll ich dir was verraten? Ich hab schon gestern geschaut, ob du hinter einer Litfaßsäule oder einer Laterne stehst. Leider treffe ich mich gleich mit einem Kaufinteressenten.«
    »Schade.«
    »Das finde ich auch. Aber weißt du was? Ich lass den Termin sausen. Der Mann starrt mir sowieso nur auf die Brüste. Lass uns ins Kosthaus Schwarz fahren. Da gibt es die beste Mangold-Tarte, die man sich nur vorstellen kann.«
    Sie beschlossen, zur Potsdamer Brücke zu gehen, wo ein großer Droschkenhalteplatz war. Auf dem Weg erinnerte sich Otto, dass Igraine in ihrer Wortwahl immer sehr direkt gewesen war. Die Erwähnung von Brüsten schickte sich nicht für eine Dame, und schon gar nicht in Gegenwart eines Herrn, aber so war sie eben.
    Igraine ging immer einen halben Schritt voraus. Wenn er zu ihr aufschloss, steigerte sie das Tempo, bis der Abstand wiederhergestellt war. Schließlich ließ er sie schmunzelnd gewähren. Sie wählte eine Droschke zweiter Klasse aus, die ein offenes Verdeck hatte, und nannten dem Kutscher das Ziel.
    »Ich hab gehört«, sagte Otto und sank in das weiche Lederpolster, »dass du am Samstag Ausstellungseröffnung im Palais Redern hast. Das ist sicher sehr aufregend.«
    »Ja, das ist eine große Chance«, erwiderte Igraine. »Der Kunstsalon Eduard Schulte zählt neben der Galerie Hermann Pächter und dem Kaufhaus Hohenzollern zu den ersten Adressen in Berlin. Eine wohlwollende Kritik in der ›Vossischen Zeitung‹ könnte alle meine Geldschwierigkeiten lösen, aber es könnte auch der Anfang vom Ende sein.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Für Zeichnungen ist der Markt nicht sehr groß. Falls das Presseecho gut ausfallen sollte, wird es nicht lange dauern, bis der Galerist nach Ölbildern verlangt, die ihm auch eine höhere Provision verschaffen würden.«
    »Ja, dann mal ihm doch ein paar Gemälde. Ich bin mir sicher, dass du das kannst.«
    »Vielen Dank für dein Vertrauen, aber ich fürchte, dass mein Zeichentalent größer ist. Viele meiner Kolleginnen haben schon Schwierigkeiten, die Neigung des Körpers oder die richtigen Proportionen der Hand einzufangen. Ich muss nur hinschauen und habe sofort ein Bild vor Augen, das ich bloß auf Papier bannen muss. Ich kann mit wenigen Strichen mehr ausdrücken als andere mit einem ganzen Aquarellkreidekasten, aber beim Umgang mit Ölfarben verliere ich regelmäßig den Überblick.«
    »Wo liegt das Problem?«
    »Ölfarben muss man fühlen – ihre Verwandtschaft, ihren Charakter und ihre Dominanz. Es gibt Tausende Mischungsmöglichkeiten. Es ist ein weites Feld, in dem man sich verlieren kann. Manche Maler können Farbmeere komponieren, in die man mit einem Kopfsprung eintauchen möchte, aber in mir ist kein Platz für zwanzig verschiedene Rottöne. Ich will nur abbilden, was ich sehe.«
    »Trägst du deshalb Schwarz?«
    »Vielleicht«, erwiderte sie und sah ihn mit einem Blick an, den er nicht zu deuten wusste.
    Die Droschke hielt vor der Niederwallstraße 17. Otto hatte weder gewusst, dass es eine rein vegetarische Restauration gab, noch hatte er jemals von dem »Kosthaus Vegetarischer Speisen: Schwarz« gehört, das sich anscheinend großer Beliebtheit erfreute. Sie waren nicht die einzigen Gäste, die gerade eintrafen. In dem Fenster hing zwischen einem Arrangement aus Seidenblumen das Tagesmenü. An der Eingangstür war ein kleines Schild mit den Öffnungszeiten angebracht worden.
    Drinnen war es angenehm kühl, und es roch nach frischen Gewürzen. Sie stellten sich neben die anderen Ankömmlinge, die offenbar aus Russland stammten. An den Tischen saßen Damen mit riesigen Hüten und Herren in Sommerjacketts. Die kleinen Tische hatten eine weiße Marmorfläche und schienen alle belegt zu sein.
    Ein Kellner eilte aus der Küche und bemerkte Igraine. Er steuerte direkt auf sie zu und sagte augenzwinkernd: »Det gnädige Frollein. Wie jut, dat Se reserviert ham. Sonst wär nüscht zu mach’n jewesen, wa.«
    »Ach, Alfons«, erwiderte Igraine und folgte dem Kellner zu dem letzten freien Tisch. »Wenn ich Sie

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