Mord in Der Noris
leisten.«
»Ach, Paula, von manchem hast du wirklich wenig
Ahnung. Auch so was kriegt man doch heutzutage billig.«
»Ich kenn keinen Mann, der mit einem
Brillantohrstecker rumläuft. Du?«
»Also direkt auch nicht …«
»Na eben. Und darum ist das eine wichtige Spur für
uns, der wir nachgehen werden.«
»Ach nein«, stöhnte Heinrich, »das bringt doch nichts.
Das widerspricht jeder Art von Ermittlungsökonomie.«
Sie schwieg. Nachdem sein Einspruch bei ihr ohne die
gewünschten Folgen blieb, setzte er ironisch hinzu: »Und wie willst du dieser
Spur nachgehen? Wahrscheinlich mit einer auf breiter Front angelegten
Rasterfahndung im Großraum Nürnberg?«
»Nein«, antwortete sie lächelnd. »Das machen wir alles
selbst, dazu brauchen wir keine Rasterfahndung. Dafür haben wir unsere Frau
Brunner, die am Montag wieder im Einsatz ist. Die wird eine entsprechende
Umfeldbefragung machen. Und das ist ausgesprochen ermittlungsökonomisch. Denn
erstens haben wir bis jetzt nur wenige Verdächtige, und zweitens ist sie dafür
bestens geeignet. Sie war ja bei keiner Vernehmung dabei, man kennt sie also
nicht. Und drittens macht sie solche Befragungen gern, hat sie mir mal gesagt.«
»Ja, das hat was. Das ist eigentlich sehr gut«, sagte
Heinrich nach einer Weile anerkennend. »Und du bist dir sicher, dass sie am
Montag wieder hier ist? Fleischmann muss doch erst die Suspendierung aufheben.«
»Genau, darum werde ich mich als Erstes kümmern. Und
du nimmst dir, wenn du mit den Konten fertig bist, die Mitgliederliste von
diesem Jagdverband vor. Von den Webers scheint allerdings keiner dabei zu
sein.« Sie legte ihm die zehn Blätter auf den Schreibtisch.
Und da das selbst in ihren Ohren noch sehr
hierarchisch-dominant klang und sie sich doch von Trommens Führungsstil endgültig
verabschiedet hatte, setzte sie noch ein verbindliches »Bitte« hinzu.
Heinrich nickte und vertiefte sich wieder in seine
Kontenunterlagen, nachdem er die Mitgliedsliste ein wenig unwillig zur Seite
geschoben hatte.
Jetzt der Brief an Fleischmann. Sie hatte sich gegen
ein persönliches Gespräch mit ihrem Vorgesetzten entschieden. Zu groß war die
Gefahr, dass er versuchen würde, ihr die Aufhebung der Suspendierung wieder
auszureden. Das musste ein Schreiben werden, das ihm gar keine andere
Möglichkeit ließ, als ihrem Gesuch wohlwollend stattzugeben. Nur – wie
formulierte man so einen Antrag, der im Grunde die Bewilligung des Chefs schon
voraussetzte, der also weniger ein Gesuch als vielmehr eine Information war
über ihre, Paula Steiners, Entscheidung, die Anwärterin Brunner ab kommenden
Montag wieder in ihre Kommission aufzunehmen?
Über eine Stunde kostete sie dieser Brief, in dem sie
Fleischmann bis ins kleinste Detail über ihr morgendliches Gespräch und ebenso
ausführlich über ihre Gründe, es nochmals mit Frau Brunner zu versuchen, ins
Bild setzte. Am Ende hatte sie ein leichtes Ziehen in der rechten Stirnhälfte.
Sie las sich die Mail durch und erschrak. Zu viele salbungsvolle Exkurse über
Fairness, menschliches Augenblicksversagen und den Diensteifer der Jugend, zu
viel, was nach einer Rechtfertigung aussah, und zu wenig, was nach seiner
bereits von ihr vorweggenommenen Entscheidung klang. Sie markierte die
dreiundvierzig Zeilen, löschte sie und schrieb dann unter die Anrede:
Hiermit möchte ich Sie darüber
in Kenntnis setzen, dass wir die Suspendierung von Frau Brunner mit Wirkung vom
kommenden Montag wieder aufheben. Ein eingehendes Gespräch mit ihr hat uns
davon überzeugt, dass ein derartiges Verhalten bei ihr in Zukunft
ausgeschlossen ist. Ihr Einverständnis in dieser Sache vorausgesetzt, verbleibe
ich
mit freundlichen Grüßen,
P. Steiner.
Jawohl – sie war nicht wenig stolz auf sich –, so
schreibt man ein Gesuch, das dessen Bewilligung schon vorwegnimmt. Das keine
Ablehnung duldet.
Und da sie gerade in der richtigen Formulierlaune zu
sein schien, kam gleich anschließend die zweitwichtigste Mail der Woche zum
Zug. Dieses Mal wurden die »lieben Kolleginnen und Kollegen« darüber in
»Kenntnis gesetzt«, dass sie ihren runden Geburtstag »leider nicht« werde
feiern können. Sie bearbeite derzeit einen dringenden Fall, bei dem Eile
geboten sei und der zudem aufgrund seiner Komplexität ihre ganze Zeit und
Aufmerksamkeit fordere. Doch habe die ausgefallene Feier auch ihr Gutes, setzte
sie neckisch hinzu, denn damit würden sich ja auch das an diesen Tagen übliche
Geschenk sowie die damit verbundene
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