Mord in Der Noris
stimmen, zumindest in
etwa.«
»Das glaube ich nach wie vor nicht. Aber vielleicht
hat ihr Vater damals auch Bargeld an sie vererbt. Oder ihr Mann musste Miete
zahlen, als er noch bei ihr wohnte.«
»Hm. Das ist bei der gut möglich. Und außerdem kann es
uns doch wurscht sein, wie die das zusammengerafft hat. Tatsache ist jedenfalls,
es ist da. Plus die Eigentumswohnung.«
»Du magst die Platzer nicht, gell?«
»Nein. Nach allem, was ich bisher über sie gehört
habe, muss das ein habgieriger und nur an sich interessierter Mensch gewesen
sein, der so gar nichts Nettes an sich hatte.«
»Und ihre schwere Vergangenheit?«
»Interessiert mich so viel wie das Schwarze unter
meinen Fingernägeln. Andere haben auch eine schwere Kindheit oder viel
durchgemacht, das ist doch kein Freifahrtschein, so ekelhaft zu werden, so …
ja, fast schon unsozial. Und du, magst du sie denn?«
»Sie tut mir leid.«
Das tat sie wirklich.
Paula, der es manchmal nur sehr schwer gelang, auch
nur einen Funken Mitgefühl für die massenhaften Opfer von Katastrophen zu
empfinden, die ihr der Fernseher tagtäglich ins Wohnzimmer flutete, hatte
tatsächlich Mitleid mit dieser allseits unbeliebten Frau. Auch weil sie wusste,
dass sie die Einzige war, die an deren schrecklichem Tod irgendeine Form von
Anteil nahm. Und an ihrem vertanen Leben.
Geld strukturierte die Welt, es organisierte das
Leben, nolens volens. Doch bei Elvira Platzer, die so viel davon hatte, führte
es dazu, dass ihr Leben aus dem Ruder lief. Dass es unberechenbar und chaotisch
wurde. Leer und voll zugleich, einsam, in der maßlosen, erdrückenden
Gesellschaft von Ramsch und Schrott. Da ging der ehemaligen Soziologiestudentin
Steiner ein Zitat durch den Kopf. Es stammte von dem Soziologen Niklas Luhmann,
der dem Geld eine »geradezu abartige Indifferenz und metallene Herzenskälte«
attestierte.
Und wer sich so danach sehnt, sein ganzes Leben danach
ausrichtet, wie es bei der Toten offensichtlich der Fall war, auf den färben
diese Charaktereigenschaften irgendwann einmal ab. Man kann gar nichts dagegen
tun, wird genauso kalt und gleichgültig wie das, was man im Überfluss besitzt.
Und dann hatte diese Sehnsucht auch andere gepackt und Elvira Platzer zu Fall
gebracht. Gleich zweimal zu Fall gebracht.
»Ich denke«, sagte Paula, »das Motiv ist jetzt klar:
Es geht ums Geld. Beide Male.«
»Ja, das habe ich ja von Anfang an geglaubt. Geld ist
immer ein gutes Motiv.«
Dann erzählte sie ihm von ihrem Gespräch von heute
Morgen vor der Haustür. Nur das Nötigste. Dass Frau Brunner sich bei ihr
entschuldigt habe, dass sie unbedingt zu ihnen beiden zurückkehren wolle und
dass sie, Paula, ihr versprochen habe, das zu überdenken. Von den Gründen, die
zu dem auffälligen Verhaltenswechsel der Anwärterin geführt hatten, sagte sie
nichts.
»Du hast ja gestern schon angedeutet, dass wir sie
deiner Meinung nach wieder aufnehmen könnten. Oder täusche ich mich da?«
»Nein, du täuschst dich nicht. Meinetwegen kann sie
ruhig wiederkommen. Aber letztendlich ist das doch deine Entscheidung, Paula.
Und wenn sie wieder das Spinnen anfängt?«
»Dann fliegt sie hochkantig raus. Und zwar endgültig.
Doch ich bin überzeugt, dass sich das nicht wiederholen wird. Mal etwas
anderes: Weißt du eigentlich, was ein Lob ohne Ressourcen ist?«
»Aber natürlich. Das ist ein folgenloses Lob, wird vor
allem gern von männlichen Chefs an weibliche Mitarbeiterinnen verteilt, um sie
ruhigzustellen. Damit sie auf der Karriereleiter nicht weiter nach oben oder
gar mehr Geld haben wollen. Kommt aber in der Regel überhaupt nicht gut an bei
den so mit Lob überhäuften Damen. Da staunst du, wie gut ich informiert bin?«
»Schon, ja.«
»Habe ich aber aus zweiter Hand«, lächelte er. »Die
Eva hat mich immer – ich betone: immer – auf dem Laufenden gehalten, was in
ihrem Psychologie-Heftel so drinsteht. Ich weiß alles, bis ins kleinste Detail.
Und jetzt frag mich mal, ob ich das alles wissen will.«
»Ich fürchte, nein.« Sie musste lachen.
»Da hast du vollkommen recht. Diese ganze
Psycho-Schiene interessiert mich überhaupt nicht.«
»Frau Brunner sagte nämlich heute Morgen, dass ich
kein derartiges Lob, also ein Lob ohne Ressourcen, ausspreche. Und ich hatte
den Eindruck, das meinte sie durchaus positiv.«
»Da hat sie vollkommen recht, mit dem Lob. Weil du
nämlich gar nicht lobst, nie. Weder mit noch ohne Ressourcen.«
»Fehlt dir das manchmal?«
»Ach nein, ich kenne
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