Mord in Der Noris
so schlecht verdienst du auch nicht. Dir
muss doch mindestens die Hälfte deines Gehalts am Monatsende übrig bleiben.«
»Du, ich zahle schon mal unsere Miete allein, und das
sind immerhin fünfhundertfünfzig Euro jeden Monat. Gut, meine Oma übernimmt die
ganzen Nebenkosten, aber trotzdem … Dann erledige ich alle Einkäufe, weil ich
ihr die Schlepperei nicht zumuten will, da kommt auch einiges zusammen. Also,
die Hälfte bleibt mir auf keinen Fall. Vielleicht ein Viertel, wenn überhaupt.
Und das leg ich brav auf die Seite, um meine HiFi-Anlage zu optimieren. Leider
habe ich immer so ausgefallene Wünsche in der Richtung, sprich sehr teure. Im
Augenblick spare ich auf einen Tonarm von SME ,
aber natürlich nicht auf einen in der noch bezahlbaren Preisklasse, sondern auf
das absolute Top-Modell, auf den SME V gold für fünftausend Euro. Genau der muss es sein und
kein anderer. Da sind aber die NF -Kabel schon
dabei.«
»Ja, der Wahnsinn. So viel Geld für einen lumpigen
Tonarm. Und wie lang sparst du da schon hin?«
»Zwei Jahre. Und im Herbst ist er fällig. Du könntest
so was bestimmt locker aus der Portokasse bezahlen.«
»Pah!« Sie lachte kurz auf. »Da überschätzt oder
unterschätzt du mich, je nachdem. Jetzt rat einmal, wie viel auf meinem
Sparbuch – und ich habe nur ein einziges – ist?«, fragte sie.
»Vierzig- oder fünfzigtausend?«
»Exakt zwölftausend Euro.«
»Das wundert mich. Du verdienst doch gut. Und du hast – großer Vorteil in den heutigen Zeiten – eine Wohnung, die dir gehört. Du
zahlst also schon mal keine Miete. Was machst denn du mit deinem ganzen Geld?«
»Ich? Ich habe zum Beispiel keine Oma, die für die
ganzen Nebenkosten aufkommt. Ich muss alles selbst zahlen. Also Strom, Gas,
Wasser, Telefon, Hausmeister, Hausverwaltung, Einlagen bei der
Eigentümergemeinschaft für größere Reparaturen, Versicherungen – das ist wie
eine zweite Miete. Dazu kommen noch Steuer, Versicherung und Benzin für mein
Auto. Dann zahle ich seit zwei Jahren den Klavierunterricht für mein Patenkind,
das sind im Monat auch über zweihundert Euro. Und schließlich überweise ich
meiner Mutter jeden Monat noch zweihundertfünfzig Euro, damit sie einigermaßen
anständig über die Runden kommt. Da bleibt nicht so viel hängen. Vielleicht ist
es auch ein Viertel wie bei dir.«
Heinrich und sie hatten soeben ein Tabu gebrochen. Sie
hatten über Geld gesprochen, nicht über fremdes Geld, sondern über ihre eigenen
finanziellen Verhältnisse. Offen und ehrlich. Diese Offenbarung verlangte auf
beiden Seiten nach einer längeren gedankenvollen Pause. Schließlich gewann das
fremde Geld, die finanziellen Verhältnisse von Elvira Platzer, wieder die
Oberhand.
»Im Verhältnis zu uns war die Platzer also
steinreich«, sagte Heinrich.
»Nicht nur im Verhältnis zu uns. Und hat dabei doch so
ein armseliges Leben geführt. Aber ich frage mich schon, woher sie all das Geld
hatte. Bei einem Gehalt von zweitausendsiebenhundert Euro im Monat. Da blieben
ihr als Alleinverdienerin vielleicht die Hälfte, also dreizehn-,
vierzehnhundert. Und damit kommt man auf über dreihunderttausend Euro? Das kann
ich mir nicht vorstellen.«
»Ich mir schon«, widersprach Heinrich. »Wenn du so
sparsam beziehungsweise so extrem geizig bist, wie sie es anscheinend war, da
kommt schon einiges zusammen. Und du musst auch ihr hohes Alter bedenken. Die
hatte ja jahrzehntelang Zeit, dieses Vermögen anzusammeln.«
»Hohes Alter? Heinrich, kann das sein, dass du nicht
mehr richtig tickst? Die Platzer war einundfünfzig, als sie umgebracht wurde.
Eine Frau in den besten Jahren, also fast in den besten Jahren.«
»Ach, das hatte ich ja ganz vergessen, entschuldige,
damit haben wir hier ja ein Problem«, lächelte Heinrich ihr zu.
Sie ignorierte seine süffisante Bemerkung.
»Du hältst es also für möglich, dass jemand bei
äußerster Sparsamkeit so viel auf die hohe Kante legen kann, nur mit seiner
Arbeit?«
»Aber klar, Paula. Die Platzer war ja dreißig Jahre
berufstätig. Da kommt schon was zusammen. Die hat doch an allem gespart: an der
Kleidung, der Ernährung, an …«
»Trotzdem musste sie ja von was leben und was essen.
Nehmen wir mal an, ach, da müssen wir uns auch noch drum kümmern, sie hatte ein
Auto …«
»Ein Auto hatte sie nicht. Ich habe die Kontoauszüge
der letzten Jahre überprüft, da waren keine Zahlungen für Kfz-Steuer oder
Autoversicherung dabei. Also könnte meine Überlegung doch
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