Mord in Der Noris
graubraunen Kaiserstallung wie
ein pflückfrischer, knackiger Granny-Smith-Apfel, und mit ihr um die Wette
glänzte die eingefettete und polierte Lederkombi, deren Besitzer sie nun mit
einem an Lässigkeit durch nichts zu überbietenden kurzen Heben und Senken des
rechten Zeigefingers begrüßte.
Sie war so überrascht und auch, das muss man sagen,
von diesen beiden ansehnlichen Hinguckern derart hingerissen, dass sie den Gruß
nicht erwiderte, sondern lediglich mit offenem Mund regungslos stehen blieb.
Da lief Paul Zankl ihr entgegen, drückte sie an sich
und flüsterte ihr zärtlich ins Ohr: »Alles Gute zum Geburtstag, du alter
Sturschädel, du junge Zwiderwurzn, du liebe Paula.«
Dann überreichte er ihr ein zusammengefaltetes Blatt
Papier.
»Eingepackt habe ich es jetzt nicht, das Einiwickeln
und Ummischnürn ist eh ein Schmarrn, finde ich. Das hier ist mein Geschenk«,
sagte er mit einem selbstzufriedenen Grinsen, »eine Jahresmitgliedschaft beim
Club.«
»Schön. Danke. Und bei welchem Club bin ich jetzt
Mitglied?«
»Was für eine Frage, Paula. Es gibt doch nur einen
Club. Beim FCN natürlich. Die Dauerkarte gehört
übrigens auch dazu. Damit kannst du auf jedes Heimspiel gehen. Es ist zwar kein
Sitzplatz, aber dafür bist du näher am Spielfeld dran.«
Sie hörte in seinen Worten und sah auch in seinen vor
Begeisterung funkelnden Augen, dass er von ihr nun eine ganz bestimmte Reaktion
erwartete – einen überschwänglichen Dank für dieses einzigartige Geschenk, mit
dem er ihre geheimsten Wünsche erraten zu haben meinte.
Also warf sie sich ihm an den Hals und sagte gerührt:
»Das ist ja wunderbar, Paul, so ein schönes Geschenk. Eine echte Überraschung.
Und das Beste daran ist, dass ich ja, wenn ich mal verhindert sein sollte, die
Karte an dich weitergeben kann, gell?«
»Auf jeden Fall. Ich übernehme das dann schon für
dich, im Fall der Fälle.« Ein heftiges Nicken bekräftigte diesen Beistand im
Fall der Fälle.
»Und jetzt fahr ich dich ins Präsidium. Das ist doch
auch so etwas wie ein Geschenk, oder?«
»Natürlich. Ein fast so schönes wie die Mitgliedschaft
und die Dauerkarte.«
In ihrem Büro angekommen, setzte sie sich
erwartungsvoll an ihren Schreibtisch und wartete auf die Gratulanten. Aber es
kamen keine. Der Einzige, der eine Viertelstunde nach ihr eintraf, war Heinrich.
Nach einem sehr beiläufig vorgebrachten »Hey« nahm er
an seinem Schreibtisch Platz, ließ den Computer hochfahren und stierte auf den
Bildschirm.
Nanu, das war alles? Sollte er vergessen haben,
welcher Tag heute war? Oder hatte er sich ihre heftigen Absagen dermaßen zu
Herzen genommen, dass er nun beleidigt war? Es sah ganz danach aus.
»Du darfst mir schon gratulieren, Heinrich. Du schon«,
sagte sie und hörte selbst, wie ihr der richtige Ton für diese dümmliche
Bewilligung misslang.
»Nein, das wolltest du ja nicht«, antwortete er, ohne
von seinem Bildschirm aufzuschauen. »Sag mal, ich finde das Abschlussprotokoll
zu der Platzer gar nicht. Du hast doch schon eines geschrieben, wo ist das denn
abgelegt?«
Sie sagte es ihm. Und war grenzenlos enttäuscht. Das
war ihr Verschulden. Dumm war sie gewesen, richtig dumm und kindisch. Das hatte
sie nun davon. Schließlich gab sie sich einen Ruck und versuchte, sich mit
jedem nur möglichen Einsatz auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Besonders gut
gelang ihr das nicht. So ging dieser Vormittag schleppend und schweigend
vorüber.
Als die nahe St. Elisabethkirche mit dem
Zwölf-Uhr-Läuten einsetzte, schaute Heinrich erstmals von seinem Computer auf
und fragte sie, ob sie mit in die Kantine gehen wolle. Gemeinsam machten sie
sich auf den Weg in die vierte Etage. Im dritten Stock angelangt, sagte er:
»Hast du eigentlich schon die neuen Möbel im großen Besprechungszimmer gesehen?
Nein? Komm, ich zeig sie dir. Die musst du dir anschauen, die sind so was von
daneben, man kann gar nicht glauben, dass irgendjemand dafür Geld ausgegeben
hat. Übrigens eine Idee von deiner Freundin, der Reußinger.«
Als sie die Tür öffnete, sah sie keine neuen Möbel,
dafür nahezu alle ihre Kollegen im Kreis versammelt, jeder mit einem gefüllten
Sektglas in der rechten Hand. Fleischmann ergriff das Wort.
»Die Kollegen und ich, wir wünschen Ihnen das
Allerbeste zu Ihrem Geburtstag, den Sie nicht einmal im kleinen Kreis feiern
wollten. In erster Linie natürlich Gesundheit. Und auch weiterhin so viel
Erfolg und ab und an auch ein wenig Spaß bei der Arbeit.«
Nachdem
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