Mord in Der Noris
glaubten, sie damit in der Hand zu haben und zu
erpressen. Zum Wohle Ihrer Tochter.«
Genau in diesem Moment fiel ihr der passende
Tagebucheintrag dazu ein – »die wollen alle nur mein Geld«.
»Aber da hat Frau Platzer nicht mitgespielt. Pech für
Sie. Und Pech für Ihre Tochter. Denn die steckte schon damals in
Geldschwierigkeiten. Doch Frau Platzer hat sich nicht erpressen lassen. So
sparsam, wie sie war, hätte sie nie und nimmer ihres guten Rufes wegen Geld
bezahlt, nur damit Sie Schweigen bewahren. Der war das Geld wichtiger als ihr
Leumund. In diesem einen Punkt, aber nur da, haben Sie sich verschätzt, Herr
Schneider-Sörgel.«
Da veränderte sich das Gesicht des alten Mannes, das
Lächeln verschwand. Er schwieg und wartete mit versteinerten Zügen, was noch
kommen würde.
»Doch was ich nicht verstehe: Warum hat Ihre Tochter
ihre Halbschwester an der Wohnungstür erstochen und ist dadurch ein unnötiges
Risiko eingegangen? Sie hätte doch nur noch ein paar Tage abwarten müssen, dann
wäre Frau Platzer an dem Rattengift, das Sie ihr verabreicht haben, gestorben.
Das war doch eine todsichere Angelegenheit.«
Sie sah ihn fragend an. Er aber senkte den Blick, und
um seinen Mund erschien ein leidender Zug. Das ging ganz schnell.
»Ach, so war das. Sie haben sich untereinander nicht
abgesprochen. Frau Ruckdäschel wusste gar nichts von Ihrem Plan und Sie
umgekehrt nicht von ihrem. Darum also dieser unnötige Zweifach-Mord, der Ihrer
Tochter zum Verhängnis wurde. Wer weiß, wenn Sie beide darüber miteinander
gesprochen hätten, vielleicht hätte man Ihnen wirklich nichts nachweisen
können. Ihnen nicht und auch Frau Ruckdäschel nicht. Die hätte ja dann gar
nichts mehr unternehmen müssen, nur in aller Ruhe abwarten, bis das Gift
wirkt.«
Schließlich fügte sie nicht aus Häme, nur der
Vollständigkeit halber noch hinzu: »Aber selbst dann hätte sich dieser Mord
nicht gelohnt. Frau Platzer hat nämlich ihr gesamtes Hab und Gut dem Nürnberger
Tierheim in der Stadenstraße vermacht.«
Nach einer kurzen Pause sagte sie schließlich: »Herr
Schneider-Sörgel, ich verhafte Sie hiermit wegen des dringenden Mordverdachts
an Elvira Platzer. Die Kollegen von der Polizeiinspektion Ost werden Sie jetzt
mitnehmen und umgehend dem Haftrichter vorführen.«
Heinrich nickte ihr zu und verließ das Zimmer.
»Dann werde ich meine Sachen packen.« Das kam sehr
leise. Schneider-Sörgel stand auf und ging auf sein Schlafzimmer zu.
Sie erhob sich ebenfalls und folgte ihm. Als er den
Türgriff bereits in der Hand hielt, drehte er sich zu ihr um und sah ihr
flehend in die Augen.
»Das möchte ich gerne alleine machen. Wenn Sie
zwischenzeitlich im Wohnzimmer auf mich warten wollen, Frau Steiner?«
Als sie mit der Antwort zögerte, sagte er, und sein
Ton ließ nichts an Schärfe zu wünschen übrig: »Ich bin es gewohnt, so etwas
alleine zu tun. Und ich bin es gewohnt, dass man mir meinen freien Willen
lässt.«
Sie ahnte, nein, sie wusste, was Schneider-Sörgel
vorhatte. Sollte sie ihn gewähren lassen? Ihm diesen Wunsch erfüllen und
tatenlos bei seinem Ableben zusehen? Nein, das durfte sie nicht. Andererseits,
was hatte ein solcher Mann im Gefängnis zu erwarten? Wie würden seine letzten
ihm verbleibenden Jahre dann aussehen? Was wäre das für ein Leben? Ein
freudloses und würdeloses Absitzen der Zeit. Aber wer war sie, dass sie sich
zum Komplizen eines Mörders machen konnte? Ihm die Verantwortung für seine Tat
abnahm und sich damit eine Rolle anmaßte, die ihr nicht zustand? Sie schüttelte
den Kopf.
»Nein. Das geht leider nicht.«
Sie sah ihm zu, wie er seine kleine Reisetasche
packte.
»Sie müssen nicht darauf antworten, aber interessieren
würde mich schon, seit wann Sie mit Ihrer Tochter in näherem Kontakt stehen?«
»Wir haben uns erst spät kennengelernt. 2008 war das,
im Krankenhaus. Gertraude war damals schon sehr krank. Sie wusste, dass sie
bald sterben würde. Da wollte sie reinen Tisch machen und hat uns ins
Südklinikum einbestellt.«
»Und da haben Sie auch Frau Platzer getroffen«, sagte
sie.
Schließlich fragte sie noch beiläufig: »Warum haben
Sie Ihre Tochter eigentlich nicht unterstützt? Also mit Geld unterstützt, meine
ich. Sie stehen doch finanziell ganz gut da, wie wir bei der Konteneinsicht
festgestellt haben.«
»Ich fürchte, Sie überschätzen meine Möglichkeiten,
Frau Steiner. Das Stift ist nicht eben billig. Und Melitta ist eine sehr
anspruchsvolle Frau. Und auch sehr
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