Mord in Der Noris
rauf. Sie braucht
auch gar nichts zu sagen. Ich bin mir sicher, wenn er sie in deiner Begleitung
sieht, weiß er, wie er dran ist. Dumm ist der nämlich nicht. Im Gegenteil, das
ist ein ganz Schlauer.«
Dann öffnete sie die Tür und ging zu ihrem
Tatverdächtigen zurück, setzte sich lächelnd neben ihn und wartete.
Nach einer Weile, die ihr unendlich lange vorkam, die
in Wirklichkeit aber nur ein paar Minuten dauerte, klopfte es erneut an der
Tür.
»Das ist diesmal nicht für mich, Herr
Schneider-Sörgel. Das ist für Sie.« Sie nickte ihm auffordernd zu.
Ohne sie mit einem Blick zu würdigen, ging er zur Tür,
öffnete sie schwungvoll und – blieb starr vor Schreck stehen.
Sie dagegen lächelte Frau Lindner freundlich an. Es
war die alterslose zierliche Dame mit der Perlenkette über dem beigefarbenen
Rollkragenpullover, die bei ihrem ersten Besuch im Seniorenstift neben ihr und
der Verwaltungsleiterin Striegel auf der Terrasse Platz genommen hatte.
»Vielen Dank, Frau Lindner, dass Sie so rasch kommen
konnten. Heinrich, begleitest du unsere Zeugin bitte wieder zurück auf ihr
Zimmer?«
»Das ist nett von Ihnen. Aber mich muss niemand auf
mein Zimmer begleiten. Ich bin zwar alt, aber nicht behindert. Weder körperlich
noch geistig.«
»So habe ich das auch nicht gemeint«, entgegnete
Paula. »Sondern lediglich als Geste der Aufmerksamkeit von uns, der Polizei,
Ihnen gegenüber, die Sie sich diese Mühe für uns gemacht …«
»Nochmals danke für das Angebot«, unterbrach sie Frau
Lindner in ihrem Gestammel, »aber danke, nein.« Leichtfüßig trippelte sie den
Gang zurück.
Heinrich sah ihr anerkennend hinterher, dann trat er
in Schneider-Sörgels Zimmer. Er stellte sich neben seine Chefin und musterte
den Künstler, der in sich zusammengesunken auf seinem nun viel zu hohen
Lehnstuhl saß. Jetzt war nichts mehr von seiner einstigen Überlegenheit zu
spüren. Der so kurze wie stumme Auftritt der Chemiker-Witwe schien seinen
Widerstand zu Fall gebracht zu haben.
Paula sprach aus, was alle in diesem Raum wussten.
»Sie haben sich das Thalliumsulfat, also das
Rattengift, aus dem früheren Labor von Herrn Lindner besorgt. Und dabei
vorgegeben, es für Ihre Arbeit als Maler zu brauchen. Darum auch hat seine
Witwe keinen Verdacht dabei geschöpft. Dann, vor zwei, drei Wochen, haben Sie
es in ein Getränk gegeben und diesen tödlichen Cocktail Frau Platzer angeboten.
Und da Frau Platzer, wie Sie wussten, extrem geizig war und zudem völlig
ahnungslos, wird sie Ihr Angebot auch gern und sofort angenommen haben.«
Sie hielt kurz inne, ohne den Blick von ihm zu nehmen.
Dann fuhr sie fort: »Sie wollten Ihrer Tochter damit, wenn man das so sagen
kann, einen Gefallen erweisen. Sie wollten ihr mit diesem Mord helfen. Ihre
dauerhafte finanzielle Misere würde damit, so hofften Sie, ein Ende haben. Sie
sind davon ausgegangen, dass nach Frau Platzers Tod Ihre Tochter alles, deren
Ersparnisse genauso wie die Wohnung, erbt.«
Schließlich fügte sie noch hinzu: »Liebe ist ein
starkes Motiv. Das stärkste überhaupt.«
Da richtete sich Wilhelm Schneider-Sörgel wieder
kerzengerade auf. Er sah sie streng und vorwurfsvoll an.
»Ihr lächerlicher Verdacht steht auf wackligen Beinen,
Frau Steiner. Auf sehr wackligen Beinen. Richtige Beweise für Ihre
Unterstellung haben Sie nicht? Also Beweise im Sinne von Fingerabdrücken oder
einer Aussage von Frau Lindner, dass ich Gift, dieses – wie sagten Sie? –
Thalliumsulfat aus ihrem Keller mitgenommen habe?«
»Nein, solche Art Beweise haben wir nicht. Das stimmt.
Aber wir haben Indizien. Erstens sind Sie der Vater von Melitta Ruckdäschel und
als solcher an ihrem Wohlergehen interessiert. Zweitens waren Sie in Lindners
Labor. Drittens haben Sie mich angelogen, was die angeblich gestohlene
Kreditkarte anbelangt.«
»Ach ja, der Kontendiebstahl, bei dem ich mich, so wie
es aussieht, getäuscht habe. Das wird sich so wohl nie ganz klären lassen, was
es damit auf sich hatte. Aber das habe ich Ihnen ja schon versucht zu erklären.
Auch wenn Sie solche Art Vergesslichkeit in Ihrem Alter anscheinend noch nicht
verstehen können. Ich bin mir sicher, andere Amtspersonen haben dafür mehr
Verständnis«, sagte er.
Er brachte sogar dieses überlegen-spöttische Lächeln
zustande, das sie vor einer halben Stunde so in Rage versetzt hatte. Er schien
von seiner Unangreifbarkeit wieder überzeugt zu sein.
»Sie haben Frau Platzer die beiden Diebstähle
unterstellt, weil Sie
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