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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Erwin Mack, der den Einsatz unseres Wagenparks leitete, zu mir herüber.
    »Der Alte ist gerade gekommen«, sagte er. »Er hat nach dir gefragt, du sollst gleich in sein Büro kommen, er will mit dir sprechen.«
    Ich spürte, wie meine Hände plötzlich steif wurden, wie sich meine Finger um das Notenbündel krampften, wie mir kalter Schweiß auf die Stirn trat.
    »So, ja«, sagte ich leise, »ich gehe gleich rüber.«
    Der Alte, der Chef will mich also sprechen. Wie, zum Teufel, kann er draufgekommen sein, daß dreitausend Mark in meiner Kasse fehlten?
    Vor einem halben Jahr war Hilda schwer erkrankt. Eine Lungensache. Ihr Arzt rief mich an.
    »Herr Roeder«, sagte er am Telefon, »Sie müssen Ihre Frau nach Davos schicken, auf mindestens zwei Monate.«
    Und am gleichen Abend, als ich vom Büro nach Hause gekommen war, hatte mir Hilda das gleiche gesagt.
    »Das bißchen Husten«, hatte ich eingewandt. »Ich glaube, es sind nur die Bronchien, und zwei Monate Davos...«
    Sie hatte eine Art, mich mit hochgezogenen Augenbrauen und schmalen Lippen anzuschauen, daß mir der Mund trocken wurde.
    »Ich werde fahren«, sagte sie, »auch wenn du es mir nicht gönnst.«
    »Aber das Geld... «
    »Dreitausend brauche ich«, sagte sie höhnisch. »Damit kann ich gerade die billigste Kur bezahlen.« Sie gab sich Mühe, ein wenig zu husten. »Da siehst du es! Der Arzt fürchtet, es könnte Tuberkulose werden, und dann wird es noch viel mehr kosten.«
    Sie kannte meine finanzielle Lage genausogut wie ich, und sie mußte wissen, daß ich keine dreitausend Mark aus dem Ärmel schütteln konnte.
    »Hilda, woher soll ich soviel Geld nehmen? Wenn wir nicht die neue Wohnung und die teuren Möbel...«
    Wie immer unterbrach sie mich.
    »Ach was, wie lange soll ich diese Ausrede noch hören?«
    Sie sah mich an, und plötzlich standen Tränen in ihren Augen. »Aber dir kommt das ja gerade recht, du wärst ja froh, wenn ich sterben müßte.«
    »Um Gotteswillen, nein!« Ich meinte das damals noch ganz ehrlich. Sie tat mir leid, wie sie da vor mir stand. Und wenn der Arzt sagte, daß sie wirklich sehr krank sei? Außerdem stieg plötzlich eine Vision vor mir auf, eine herrliche Vision: zwei ganze Monate würde ich allein sein, zwei volle Monate würde ich Ruhe und Frieden haben, zwei Monate würde ich in der Illusion leben können, ein Mann zu sein, der tun und lassen konnte, was er wollte.
    »Gut, ich kann dir die dreitausend Mark geben«, sagte ich. Sie gab mir lachend einen Klaps auf die Backe.
    »Na also, warum nicht gleich? Immer mußt du zuerst nein sagen. Und dann sagst du, ich sei streitsüchtig.«
    Am nächsten Tag nahm ich das Geld aus der Firmenkasse. Wir haben täglich hohe Umsätze, und die dreitausend Mark würden nicht auffallen. Systematisch fälschte ich in den nächsten Tagen einige passende Belege, bis meine Kasse wieder stimmte. Seit acht Jahren war ich auf diesem Posten, seit acht Jahren hatte man mir vertraut, seit acht Jahren hatte der Alte die Kasse nicht revidiert.
    Und jetzt war er dahinter gekommen, er wollte mich sprechen. Ich wußte, was das bedeutete: Entlassung, Anzeige, Strafe und Gefängnis.
    Warum ich ihn damals nicht einfach um ein Darlehen gebeten hatte? Unser Alter ist vierundsechzig, auf seiner gelblichen kahlen Stirn schlängeln sich dicke blaue Adern, die anschwellen, wenn man mit einer privaten Bitte zu ihm kommt. Man gibt kein Geld aus, das man nicht besitzt, hätte er mir gesagt, und sicherlich hätte er mir auch nachgerechnet, daß ich ganz gut bei ihm verdiente.
    Weiß Gott, ich verdiente wirklich achthundert Mark monatlich, brutto. Aber als ich eines Tages am Ultimo mein Geld im Personalbüro abholen wollte, das war vor etwa zwei Jahren, da schauten sie mich dort komisch an.
    »Wieso denn Ihr Geld, Herr Roeder? Sie haben doch schriftlich darum gebeten, daß wir Ihr Gehalt immer gleich auf Ihre Bank überweisen sollen.«
    »Ach so, ja, ja«, hatte ich beschämt gestammelt. »Ganz richtig, auf die Bank. Das hab ich ganz vergessen. Sie verstehen: die Macht der Gewohnheit.«
    Und abends hatte Hilda lachend zugegeben, sie habe selbst den bewußten Brief geschrieben und meine Unterschrift gefälscht. Natürlich hatte ich für ihr Bankkonto keine Zeichnungsberechtigung.
    Oh, wie gut sie mich kannte! Wie schamlos sie es ausnützte, daß ich einen Skandal so scheute, daß ich mich vor nichts so fürchtete wie vor Lächerlichkeit. Immer erpreßte sie mich damit, mich vor meinen Kollegen lächerlich zu machen.

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