Mord in Mesopotamien
erzählte von irgendeinem Fest, das demnächst im Klub stattfinden sollte, und ich konnte sie eingehend mustern.
Sie gefiel mir nicht übermäßig; für meinen Geschmack war sie zu kühl und schnippisch. Allerdings muss ich zugeben, dass sie mit ihrem schwarzen Haar, den blauen Augen in dem blassen Gesicht und den geschminkten Lippen hübsch aussah. Ihre sarkastische Art zu sprechen missfiel mir. Bestimmt war sie tüchtig, aber ihr Benehmen reizte mich.
Mir schien, als sei Mr Coleman in sie verliebt. Er sprach noch mehr Unsinn als vorher, soweit das möglich war, und erinnerte mich an einen dummen großen Hund, der mit dem Schwanz wedelt, um zu gefallen.
Nach dem Essen musste Dr. Reilly wieder ins Krankenhaus. Mr Coleman hatte einiges in der Stadt zu erledigen, und Miss Reilly fragte mich, ob ich lieber die Stadt ansehen oder mich ausruhen wolle, Mr Coleman werde mich in ungefähr einer Stunde abholen.
Ich erkundigte mich, ob es in der Stadt etwas Interessantes zu sehen gäbe.
«Es gibt schon einige malerische Winkel», antwortete sie, «aber ich bezweifle, dass sie Ihnen gefallen werden, sie sind unglaublich schmutzig.»
Die Art, in der sie es sagte, ärgerte mich. Meines Erachtens ist malerische Wirkung keine Entschuldigung für Schmutz. Schließlich führte sie mich in den Klub, der, mit Aussicht auf den Fluss, ganz gemütlich war und wo es englische Zeitungen und Zeitschriften gab.
Als wir zurückkamen, war Mr Coleman noch nicht da, und so unterhielten wir uns ein bisschen, was aber gar nicht leicht war. Sie fragte mich, ob ich Mrs Leidner schon kennen gelernt habe. «Nein», antwortete ich, «nur ihren Mann.»
«Ich bin neugierig, wie sie Ihnen gefallen wird.» Da ich schwieg, fuhr sie fort: «Ich habe Dr. Leidner sehr gern, jeder mag ihn.»
Damit will sie also sagen, dass sie seine Frau nicht ausstehen kann, dachte ich und schwieg weiter. Plötzlich fragte sie: «Was ist eigentlich mit ihr los? Hat Dr. Leidner es Ihnen gesagt?»
Da ich es nicht schätze, über meine Patienten zu klatschen, noch dazu bevor ich sie kennen gelernt habe, antwortete ich ausweichend: «Es scheint, dass sie leidend ist und jemanden braucht, der sich um sie kümmert.»
Sie lachte – es war ein unangenehmes Lachen – hart und kurz. «Mein Gott», sagte sie, «genügen neun Menschen, die sich um sie kümmern, immer noch nicht?»
«Ich nehme an, dass sie alle ihrer Arbeit nachgehen müssen», erwiderte ich.
«Ihrer Arbeit nachgehen? Natürlich, aber trotzdem kommt zuerst Louise… dafür sorgt sie schon. Ich verstehe wirklich nicht, wozu sie eine Krankenschwester braucht. Ich denke, sie braucht einfach den Beistand irgendeines Menschen, nicht aber jemanden, der ihr ein Thermometer in den Mund steckt, den Puls fühlt und unangenehme medizinische Feststellungen macht.»
Ich muss zugeben, dass ich neugierig war. «Sie glauben, dass sie keine wirkliche Krankheit hat?», fragte ich.
«Keine Rede davon. Die Frau hat eine Rossnatur. ‹Die liebe Louise hat nicht geschlafen. Sie hat dunkle Ringe unter den Augen.› Ja, mit dem Stift hat sie sich welche gezogen. Alles nur, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, um Mittelpunkt zu sein, um sich wichtig zu machen.»
Daran konnte etwas Wahres sein. Ich hatte schon verschiedentlich Patienten gehabt (welche Krankenschwester hat sie nicht?), deren Entzücken es war, den ganzen Haushalt in Atem zu halten. Und wenn ein Arzt oder eine Krankenschwester sagte: «Ihnen fehlt gar nichts», wollten sie es nicht glauben und waren schwer beleidigt.
Es war gut möglich, dass Mrs Leidner ein solcher Fall war. Der Ehemann ist natürlich der Erste, der sich täuschen lässt. Ehemänner sind, was die Krankheiten ihrer Frauen anbelangt, immer sehr leichtgläubig; aber es schien mir mit dem, was ich bisher gehört hatte, nicht recht zusammenzupassen vor allem nicht mit dem Wort «sicherer».
Seltsam, wie sich dieses Wort in mir festgesetzt hatte. Ich fragte: «Ist Mrs Leidner nervös? Macht es sie zum Beispiel nervös, in einer so abgelegenen Gegend zu leben?»
«Was sollte sie daran nervös machen? Es sind doch zehn Menschen im Haus. Dazu kommen noch die Wächter, wegen der vielen Altertümer. Nein, nervös ist sie nicht… wenigstens…» Ihr schien etwas eingefallen zu sein, sie hielt einen Moment inne und fuhr dann langsam fort: «Es ist merkwürdig, dass Sie das sagen.»
«Wieso?»
«Neulich ritt ich mit Leutnant Jervis von den Fliegern zu ihr. Die andern waren auf dem Ausgrabungsplatz. Sie
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