Mord in Tarsis
genauso zu einem jungen Mädchen, das gerade zur Frau wurde. Muschelrings rötliche Haare waren ungleichmäßig zu einem struppigen Bürstenschnitt geschoren, was es nicht leichter machte, sein Geschlecht zu ermitteln.
»Das will ich allerdings. Verschwinde! Zur Tür hinaus, aber schnell, sonst rufe ich die Wache!«
Mit einem Zischen flüchtete die Person, die der Wirt Muschelring genannt hatte. Dieser drehte sich jetzt wieder zu den beiden um, die er gerade bedient hatte.
»Ich entschuldige mich, meine Herren. Ich versuche den Abschaum von diesem Ort fernzuhalten, aber es ist, als wollte man einen kalten Luftzug aussperren. Immer wieder findet er einen Weg hinein.« Er eilte geschäftig davon, um sich um seine anderen Gäste zu kümmern, und ließ die beiden mitten in der Menge allein.
»Ich danke Euch«, sagte der Mann, der allein gewesen war, widerwillig. Er hob den frischen Krug und trank. Dieses Mal zitterte seine Hand nicht. Er stellte das geteerte Holzgefäß geräuschvoll ab. »Nun, wie lautet Euer Vorschlag?«
»Vorschlag?« wiederholte Nistur, den diese Plötzlichkeit überraschte.
»Ja, Vorschlag. Ihr habt mich einen Söldner genannt, und ein Söldner bin ich. Ihr müßt wissen, daß dieses Wort bedeutet, daß man auf Geld aus ist. Ich nehme an, Ihr wollt mir welches anbieten.«
»Oh, ja. Allerdings«, murmelte Nistur, der den Mann musterte, noch während er aus seinem eigenen Krug trank. Wie der Wirt erklärt hatte, war das Bier ausgezeichnet. Der Mann vor ihm schien Mitte Zwanzig zu sein, aber etwas an der Form seiner Augen und Ohren deutete auf Elfenblut hin, und dann mußte man sein Alter neu einschätzen. Die Hände, die jetzt locker um den Krug lagen, waren groß, mit dicken Handflächen und hervorstehenden Knöcheln. Ein dünner goldener Ring blinkte an einem Finger. Es waren die Hände eines Kämpfers, doch sie ähnelten auch denen eines Zwergs. Was war das für ein Mann?
Daß er tatsächlich ein Söldner war, daran konnte kein Zweifel bestehen. Er war in eine höchst ungewöhnliche Rüstung gekleidet: einen enganliegenden Anzug aus winzigen, glitzernden Schuppen, der ihn vom Hals bis zu den Handgelenken und bis an den Schaft seiner kniehohen Stiefel bedeckte. Ob die Schuppen eine Art Metall oder die Haut eines seltsamen Reptils waren, konnte Nistur nicht erkennen. Am Gürtel des Mannes hingen Handschuhe derselben Machart, daneben ein ziemlich kurzes Krummschwert und auf der anderen Seite ein langes Messer mit außergewöhnlich breiter Klinge. Auf dem Tisch neben seinem Krug lag ein Helm, der nichts weiter als eine leichte Schädelkappe aus Stahl war.
»Selbstverständlich, ich möchte Euch einstellen. Ich bin nämlich ein Kaufmann auf der Reise nach Zeriak. Es geht um einen Probehandel, um festzustellen, ob es für bestimmte Farbstoffe und Gewürze dort einen Markt gibt. Ich arbeite als Zwischenhändler für solche Güter und vertrete ein Händlersyndikat.«
»Zeriak? Zwischen hier und dort liegt ein weiter Streifen nahezu weglosen Landes.«
»Weshalb ich eine Wache brauche, die ein erfahrener Kämpfer und Reisender ist. Ihr scheint mir ein solcher Mann zu sein.«
»Das bin ich. Genau wie die Hälfte der Männer hier in der Taverne. Warum fragt Ihr nicht sie?«
»Sie gehören zu Gruppen. Wenn ich einen nehme, muß ich alle nehmen. Ich brauche aber nur einen Begleiter. Der Wirt hier hat mir versichert, daß Ihr allein wärt.«
Der Mann stieß ein freudloses, bellendes Lachen aus. »Allein! Ja, das bin ich. Und zwar aus absolut verständlichen Gründen.«
Nistur seufzte. »Ihr scheint nicht recht zu wollen, mein Herr. Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, daß Söldner, die ein länger andauernder Friede lahmgelegt hat, überaus begierig auf eine Anstellung sind. Wenn Ihr nicht zu diesen gehört, werde ich mich anderswo umtun.« Er machte Anstalten, sich zu erheben.
»Wartet!« sagte der Söldner mit zuvorkommender Geste. »Ich bin interessiert. Aber ich bin ein mißtrauischer Mann. Wenn die Bezahlung annehmbar ist, werde ich mit Euch gehen. Im Augenblick klingt alles, was mich aus dieser verfluchten Stadt wegbringt, mehr als verlockend.«
Nistur setzte sich wieder richtig hin. »Ausgezeichnet. Wie darf ich Euch nennen, mein Herr?«
»Eisenholz.«
»Und wo seid Ihr zu Hause?«
»Nirgendwo. Ich habe meine Vergangenheit abgelegt, als ich das Söldnergewerbe aufnahm. Es ist unklug, zu tief in die Vergangenheit meiner Kollegen vorzudringen.«
»Dieser Brauch ist mir bekannt.
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