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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Wölbung der kleinen Tartsche, die der kleinere Mann mit einem Geschick lenkte, das schon an ein Wunder grenzte. Es gab wenig Lärm, denn sie waren beide Experten, keine Raufbolde, die wie Dummköpfe um sich schlugen. Die Klingen ertönten mit dem klaren Ton perfekt gehärteten Stahls, aber schon ein paar Dutzend Schritte weiter würde man das Klirren nicht mehr hören.
    Nistur staunte über die Geschicklichkeit des Söldners. Selten hatte er einen Soldaten getroffen, der seine Waffe so ausgezeichnet beherrschte. Dennoch wurden die Paraden des breiten Messers schwächer, und zweimal schlug seine Abwehr gänzlich fehl und zwang Eisenholz, die gerade Klinge mit seinem gepanzerten Unterarm abzuwenden. Sie konnte ihm nicht schaden, aber hierhin zeigte sich, daß mit zunehmender Länge des Kampfes seine Konzentration nachließ.
    Die Rüstung würde ein Problem darstellen, stellte Nistur fest. Er konnte sie mit der Zeit zerhacken, aber das wäre stillos, und selbst seine schöne, von Zwergen geschmiedete Klinge würde bei einem solchen Mißbrauch beschädigt werden. Bisher hatte er nur die Schneide benutzt, doch sein Säbel hatte eine Spitze und war auch zum Stoßen geeignet. Er entschied, daß er – sobald das Duell weit genug fortgeschritten war – unerwartet genau oberhalb des Halsansatzes des Schuppenpanzers zustechen würde, um in diesem Kunstwerk einen passenden Schlußvers zu setzen.
    Nistur bereitete die abschließende Kombination von Schlägen und Paraden vor, die mit dem tödlichen Stoß enden sollte, als Eisenholz plötzlich zur Seite taumelte. Die Hand, die Nistur schon zuvor hatte zittern sehen, flatterte nun heftig.
    Eisenholz biß die Zähne zusammen und fluchte in einer Sprache, die Nistur nicht kannte. »Nicht jetzt!« knurrte der Söldner, dessen rechtes Knie unter ihm nachgeben wollte.
    Nistur war versucht, den seltenen, aber wirkungsvollen Ganzkörperstoß anzuwenden und das Duell augenblicklich zu beenden, doch die Vorsicht riet ihm, sich zurückzuhalten. Es gab viele Finten beim Fechten, die einen Gegner zu unklugem Handeln verleiten sollten: das falsche Stolpern, die übertriebenen Auswirkungen einer harmlosen Wunde, die vorgetäuschte Ablenkung – das alles waren Möglichkeiten, mit denen unbesonnene Angreifer zu verfrühten Schlägen verführt werden konnten. Jeder wirklich gefährliche, tödliche Stoß setzte den Angreifer kurzfristig der Gefahr einer tödlichen Abwehr aus, und so etwas war nur dann ratsam, wenn sicher war, daß der Gegner unfähig sein würde, von dieser Schwäche Gebrauch zu machen.
    Anstatt also vorzustürmen, wich Nistur mit größter Wachsamkeit zurück. Anstatt den Mann vor ihm anzugreifen, schlug er fest gegen die gekrümmte Klinge. Das Heft flog aus einer Hand, die anscheinend kraftlos geworden war. Eisenholz schien alle Anstrengung darauf zu richten, einfach auf den Beinen zu bleiben. Aber Nistur wußte sehr wohl, daß der abwehrende Dolch auch eine Angriffswaffe war. Während er mit der Säbelspitze das Gesicht des anderen bedrohte, rückte er näher und stieß mit dem Rand seiner Tartsche gegen das breite Messer. Die Waffe fiel geräuschvoll auf einen schneefreien Fleck Pflastersteine.
    Langsam gaben die Knie von Eisenholz nach, und er fiel mit raschelnden Schuppen auf die Straße. Also doch Reptilhaut, befand Nistur. Kein Metall. Mit einem Fuß drehte er den Mann um, dessen schwarze Augen ihn anfunkelten, während seine Arme und Beine nutzlos zuckten.
    »Ich fürchte, ich muß es zu Ende bringen, mein unglückseliger Freund«, sagte Nistur, während er seinen Säbel in die Scheide steckte. »Nimm es nicht zu schwer. Ich weiß nicht, woran du leidest, aber als Söldner hast du jedenfalls kaum eine Zukunft, und jetzt verstehe ich, weshalb du so allein warst.«
    Er zog den Hirschfänger aus seinem schenkelhohen Stiefel. Die glänzend polierte, knapp ellenlange Klinge blitzte im Mondlicht. Wie sein Säbel hatte sie nur eine Schneide, denn sie war in erster Linie zum Stoßen gedacht, doch ihr breiter Rücken gab einem Schnitt mehr Kraft, was gegen einen nichtsahnenden Gegner einen erheblichen Vorteil bedeuten konnte.
    Als er neben dem gestürzten Söldner kniete, überkam Nistur eine Woge von Ekel. An dieser Tat war nichts Ehrenhaftes. Der Mann war hilflos, aber weder durch eigenes Verschulden noch durch irgendwelche Anstrengungen von Nisturs Seite. Ein guter, aber vom Pech verfolgter Schwertkämpfer sollte auf Geheiß eines verabscheuungswürdigen Aristokraten sterben,

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