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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Kaminlicht nicht mehr erreicht wurden, sorgten alte Schiffslaternen für Beleuchtung. Modelle alter Schiffe hingen von den Deckenbalken, und die Wände waren mit Gemälden von Seeschlachten dekoriert. Die Bar war aus dem riesigen, flachen Schulterblatt eines Seedrachen hergestellt. Das behauptete zumindest der Besitzer. Auf jeden Fall war es der Knochen einer beeindruckend großen Kreatur.
    Trotz des Ausbleibens der Seeleute beherbergte die Taverne ein ansehnliches gemischtes Publikum. Die Fuhrmänner, Treiber und Reiter vieler Karawanen liebten diesen Ort, denn in Tarsis liefen vier große Straßen und eine ganze Anzahl kleinerer zusammen. Außerdem gab es eine erhebliche Anzahl Söldner, die nichts mehr zu tun hatten, seit einige kleinere, begrenzte Kriege zu Ende gegangen waren.
    Nur wenige Gäste waren keine Menschen, denn Tarsis war eine ungastliche Stadt für solche Personen. Obwohl die Stadt einst ein weltoffener Hafen gewesen war, hatte sie sich auf sich selbst zurückgezogen und war zur Insel geworden, nachdem die See zurückgewichen war. Selbst den menschlichen Reisenden, von denen es viele gab, wurde deutlich zu verstehen gegeben, daß sie nur so lange willkommen waren, wie sie Geld ausgeben konnten.
    Ganz gleich, wie die Stadtväter, die Kaufleute und die anderen Einwohner zu ihnen standen, die Gesellschaft in der Taverne war lebenslustig. Man verpraßte und verspielte seinen Lohn, ruhte sich aus, fand Abwechslung nach den Anstrengungen der langen Reisen und bereitete sich auf die nächste lange Strecke vor – ans Meer, über die Staubebenen nach Thorbardin, in die legendären Länder des Ostens oder zu anderen, namenlosen Orten. Wein und Bier flossen in Strömen, abwechselnd erklangen Lieder in einem halben Dutzend Sprachen, und die Würfel rollten unablässig.
    In dieser ausgelassenen Runde hob sich eine Gestalt durch ihren einsamen Hochmut ab. Der Mann saß abseits an einem kleinen Tisch in einer Ecke, die weit entfernt vom Kamin lag. Er schien noch jung zu sein, doch auf seinem dunklen, vom Wetter gezeichneten Gesicht lag der bittere Ausdruck des Alters. Glatte, etwas ungepflegte schwarze Haare fielen ihm auf die Schultern, und er starrte brütend auf den Boden eines fast leeren Kruges. Als er das Gefäß hob, begann seine Hand zu zittern, und er stellte es hastig wieder auf den Tisch. Dabei starrte er seine Hand haßerfüllt an, als ob sie ihn verraten hätte.
    Als der einsame Mann seinen Krug zum zweiten Mal anhob, ging die Tür auf, und ein kleiner, untersetzter Mann mit breitem Federhut und Wintermantel trat ein. Seine ordentliche, fast vornehme Erscheinung wirkte angesichts der Liederlichkeit der übrigen Gäste im »Ertrunkenen Seefahrer« irgendwie fehl am Platze. Er redete kurz mit dem Wirt, der vielsagend in Richtung des einsamen Mannes an dem Ecktisch nickte. Der Mann mit dem Hut durchquerte den Raum und blieb neben dem kleinen Tisch stehen, bis der andere zu ihm aufblickte.
    »Entschuldigt bitte, mein Herr«, sagte der Neuankömmling, »aber man hat mir zu verstehen gegeben, daß Ihr ein Söldner seid.«
    »Das bin ich«, bestätigte der andere.
    »Mein Name ist Nistur. Gestattet Ihr, daß ich mich zu Euch setze?«
    »Wie Ihr wollt«, sagte der einsame Mann wenig einladend. Er hob wieder seinen Krug. Die Hand zitterte leicht, so daß er sie mit der anderen unterstützte.
    Nistur setzte sich. »Wenn Ihr mir die Bemerkung vergeben mögt, mein Herr, aber Ihr habt den Blick eines Mannes, der auf den Boden seines letzten Kruges starrt.«
    »Und wenn es so wäre?«
    »Oh, ich möchte Euch nur einen weiteren ausgeben.« Noch während er dies sagte, kam der Wirt mit zwei besonders großen Krügen.
    »Zwei Humpen von meinem Besten, wie bestellt«, verkündete er mit Stolz. Als er die Krüge auf den Tisch stellte, huschte hinter ihm eine kleine, verhüllte Gestalt mit Kapuze vorbei. Mit einer für einen so bulligen Mann beachtlichen Geschwindigkeit fuhr der Wirt herum, riß die Kapuze zurück und enthüllte das feinknochige, etwas schmutzige Gesicht einer jungen Person unbestimmten Geschlechts.
    »Muschelring!« fauchte der Wirt. »Wie viele Male habe ich dich schon davor gewarnt, hier reinzukommen? Ich werde nicht zulassen, daß du meinen Gästen Ärger machst!«
    Die riesigen grauen Augen wurden weit vor verletzter Unschuld. »Ich bin nur hereingekommen, um der Kälte eine Weile zu entgehen. Willst du mich in einer so grausamen Nacht vertreiben?« Die Stimme paßte zu einem jungen Burschen, aber

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